Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
Anscheinend schien sie sich über die nächtlichen Eskapaden
ihres Sohnes nicht zu wundern. „Möchten Sie eine Tasse Tee?“, fragte sie dann
und bedeutete den Männern, ihr in die Küche zu folgen. Chantal und Selina waren
verschwunden, und auch das Baby hatte aufgehört zu schreien.
„Wir möchten Ihnen keine Umstände
machen“, antwortete Büttner und nahm auf einem Stuhl Platz, nachdem er ein paar
Bilderbücher von ihm entfernt und auf den Tisch gelegt hatte.
„Ach was, das sind doch keine
Umstände“, winkte Ursula Koopmann ab, „außerdem wollte ich sowieso gerade
welchen machen.“ Sie füllte den Wasserkocher auf, nahm einen Trekpott aus dem
Schrank und füllte mehrere Kaffeelöffel Tee hinein. „Kevin, holst du bitte mal
vier Tassen aus dem Wohnzimmer“, bat sie ihren Sohn, was der widerspruchslos
tat.
Büttner warf Hasenkrug einen
bedeutungsvollen Blick zu. Solche Umgangsformen und Wörter wie Bitte und Danke hatte er in diesem Haushalt nicht erwartet. So konnte man sich
täuschen, dachte er. Spätestens aber, als kurz darauf ein schluchzendes Mädchen
mit einem Stofftier im Arm die Küche betrat und es mit traurigem Gesicht seiner
Mutter entgegenhielt, nahm Büttner sich vor, seine Vorurteile nochmals zu
überdenken. Denn Ursula Koopmann ging auf ihre Tochter zu, nahm sie in den Arm
und strich ihr über den Kopf. „Was hast du denn, Shanice?“, fragte sie sanft.
„Mein Hugo ist kaputt“, jammerte
das Mädchen und zeigte seiner Mutter den Stoffhund, dessen linkes Vorderbein
nur noch an einem Faden am Körper hing.
„Sei nicht traurig, den kriegen
wir doch wieder hin“, sagte die Mutter. „Vielleicht fragst du mal Chayenne, ob
sie ihn wieder annähen kann? Die hat das doch so toll gelernt in der Schule.“
„Kein Problem“, kam es von der
Küchentür her. Dort stand ein etwa vierzehnjähriges Mädchen und strich sich
eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Komm, Shanice, ich zeig dir, wie es geht,
dann kannst du es das nächste mal schon selbst
machen.“
Büttner war platt und auch
Hasenkrug schaute sichtlich irritiert aus der Wäsche. „Sie haben aber eine ganz
reizende Familie“, sagte Büttner, weil er das Gefühl hatte, dieser liebevollen
Mutter mal etwas Nettes sagen zu müssen.
„Ja“, sagte sie, und ein Lächeln
stahl sich auf ihr Gesicht, was sie plötzlich viel jünger und hübscher aussehen
ließ. „Mein Mann und ich lieben Kinder, wir haben uns immer viele gewünscht.“
Beim nächsten Satz aber umwölkte sich ihre Stirn und ihre Stimme klang
plötzlich deutlich dunkler. „Die meisten Leute halten uns deswegen für asozial.
Aber die wissen ja nicht, worüber sie reden. Wir würden keines unserer Kinder
wieder hergeben, nicht für alles Geld in der Welt.“
Büttner räusperte sich, während
Hasenkrug beschämt auf seine Füße starrte. „Ja“, sagte er, „da haben Sie auch
ganz recht. Es muss doch schließlich jeder selber wissen, wie er glücklich
werden will.“
Ursula Koopmann warf ihm einen
dankbaren Blick zu und sagte dann: „Aber eigentlich sind Sie ja wegen Kevin
hier, oder?“
„Ja“, sagte Büttner und räusperte
sich erneut, „ja, ganz recht.“ Er wandte sich an den jungen Mann und sagte:
„Vielleicht könntest du uns erzählen, was du heute Nacht auf dem Friedhof
gemacht hast.“
„Ich konnte nicht schlafen, weil
Sidney so schrie. Ich glaube, der kriegt Zähne. Ja, und dann bin ich noch mal
raus“, sagte Kevin und kratzte sich am Hinterkopf.
„Und warum bist du dann auf den
Friedhof gegangen?“
„Ach, das mache ich öfter. Die
Atmosphäre ist da irgendwie krass.“ Er stand auf und tat Kluntjes in die
Tassen, als er sah, dass seine Mutter den Tee einschenken wollte.
„Amelie sagte uns, du hättest da
mit irgendwas herumgefuchtelt.“
„Ja, da lag so’n Spaten rum,
vermutlich der, mit dem sie vorher das Grab ausgebuddelt hatten. Das fand ich
krass. Ich hab da so’n Computerspiel, die machen immer so Wettkämpfe mit
Stöcken und so. Affenscharf. Das wollte ich mal ausprobieren. Ging ganz gut mit
dem Spaten.“
„Um welche Uhrzeit war das?“
Kevin zuckte die Achseln. „So um
vier Uhr vielleicht, weiß nicht genau.“
Büttner nickte. Das stimmte mit
dem überein, was Amelie ihnen gesagt hatte. „Du hast da nicht zufällig jemanden
gesehen?“, fragte er.
„Nein, als ich auf dem Friedhof
war nicht. Aber später, vom Fenster meines Zimmers aus, da habe ich gesehen,
wie dieser Scherrmann die Lohne hinuntergelaufen
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