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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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auslassen.«
    Was konnte ich tun? Baz versprach mir, mich anzurufen, falls es schlimmer wurde.

12
    Meine Eltern waren nicht so schlimm wie seine, aber schlimm genug. Am Wochenende hatten sie einen besonders idiotischen Streit. Mum fragte Dad, ob er etwas dagegen habe, sie am Sonntag zur Geburtstagsfeier eines Kollegen zu begleiten. Geistesabwesend, wie es seine Art ist, wenn er lesen möchte und sich gestört fühlt, antwortete er: »Ja, sicher.«
    Doch anstatt es dabei bewenden zu lassen, griff sie ihn an.
    »Es ist dir doch scheißegal, ob ich hier bin, oder? Solange du nur deine Bücher hast, kann ich meinetwegen auch nackt auf der Straße tanzen.«
    »Was habe ich getan?«, fragte er. »Ich weiß nicht, warum du dich aufregst. Ich dachte, du wolltest mit mir ausgehen.«
    »Ich bin es leid, ständig unsichtbar zu sein!«, schrie Mum. Am Sonntag zog sie ein pinkfarbenes Top und eine schwarze Wollhose an, beide Teile offenbar neu, obwohl sie beide den Vertrag unterschrieben hatten, und kam erst nach Hause, als ich schon im Bett lag.
    Und dann ließ Mandy die Bombe platzen. Eines Abends, als ich gerade vom College heimgekommen war, rief sie an, und ich nahm das Gespräch entgegen. Sie sagte, sie wolle heiraten. Ich stand in der Jacke in der Küche und blickte in den kalten, dunklen Garten hinaus, während Mandy mir ins Ohr plapperte. »Die Hochzeit soll im März stattfinden. Das wird eine Open-Air-Veranstaltung auf den Platt Fields mit Hunderten Gästen. Ich werde mein Kleid selbst schneidern, der Stil ist egal, solange es nur weiß ist. Ich habe noch wunderschöne alte Spitze …«
    Ich begriff nicht, wen sie heiraten wollte. Ich hatte nicht mal gewusst, dass sie einen Freund hatte.
    »Am Sonntag bekommen wir die Namen genannt«, sagte sie.
    »Von wem?«
    »Beim Treffen. Bei den Noahs.«
    »Und wessen Namen bekommt ihr genannt?«
    »Die Namen der Männer, die wir heiraten!« Je mehr sie mir erzählte, desto verrückter wurde es. Fünfzig Paare sollten gleichzeitig heiraten, und sie kannten nicht einmal den Namen ihres Partners. Ich war ungeduldig, weil Sal seit langer Zeit wieder mal vorbeikommen wollte, um eine DVD mit mir zu schauen, und ich wollte vorher mein Zimmer aufräumen. Außerdem sollte ich Mum und Dad Tee kochen.
    »Weiß Mum Bescheid?«, fragte ich.
    »Natürlich nicht. Ich habe mich gerade erst angemeldet.«
    »Soll sie dich zurückrufen?«
    »Ja, prima.«
    Als ich aufgelegt hatte, fühlte ich mich mies, denn ich hatte seit einer Ewigkeit nicht mehr mit ihr gesprochen. Ich putzte ein paar Folienkartoffeln und legte sie in die Mikrowelle, dann rief ich Mandy zurück. Sie war immer noch ganz aufgeregt.
    »Die Noahs organisieren drei große Feiern in verschiedenen Städten, und nur Frauen aus sauberen, geweihten Vierteln dürfen sich bewerben.«
    »Was ist denn ein sauberes, geweihtes Viertel?«
    »Zwischen der Bibliothek und dem Co-Op, begrenzt von der Manchester Road im Norden und dem Spielfeld im Süden, haben wir über die Hälfte der Haushalte bekehrt.«
    »Verstehe.« Offenbar war sie verrückt geworden.
    »Das alte Ehepaar nebenan, du weißt schon, die, die sich immer über Clives laute Musik beschwert haben, waren die härteste Nuss. Ich habe Stunden damit zugebracht, ihnen alles zu erklären – irgendwann aber hat es bei ihnen klick gemacht, und letzten Sonntag sind sie zum Treffen erschienen.«
    »Ich verstehe noch immer nicht …«
    »Hör zu«, sagte sie geduldig. »Weißt du, dass wir es möglich gemacht haben, dass weiterhin Babys zur Welt kommen?«
    »Das haben die Noahs geschafft?«
    »Ja. Durch Gebet und Fürbitte.«
    »Du meinst die Schlafenden Schönen?«
    »Ja, ja. Die Noahs haben begonnen, die Flut des Bösen zu brechen, und die Schlafenden Schönen haben Kinder zur Welt gebracht.«
    »Ist es nicht eher so, dass die Ärzte sie ins Koma versetzt haben?«
    »Du musst dir die wahren Ursachen klarmachen, Jess. Du darfst nicht den Schein mit dem Sein verwechseln. Wenn du in die Bibel schaust …«
    Draußen fuhr ein Wagen vor. »Du meinst, den Ärzten wäre das nur deshalb gelungen, weil die Noahs für sie gebetet haben?«
    »Genau.«
    »Aber die Schlafenden Schönen gehören nicht alle den Noahs an.«
    »Du würdest dich wundern, wie viele zu uns gehören. Und selbst diejenigen, die es nicht tun, kommen aus sauberen, geweihten Gegenden. Und deshalb haben ihnen die Gebete der Noahs geholfen.«
    Meine Mum kam in die Küche. Ich reichte ihr das Telefon und rieb Käse. Mum kam viel

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