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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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kann …«
    »Sie haben es versprochen.«
    Der Arzt verschrieb ihr eine Menge Pillen, und Mum suchte einen erfahrenen Pfleger – er nannte sich Paul –, der sich um sie kümmerte. Das war teuer, und Mandy hatte kein Geld. Hätte Oma Bessies Haus einen Käufer gefunden, wäre das hilfreich gewesen, denn es gehörte jetzt Mandy und meiner Mum, doch bislang hatte es sich noch niemand angeschaut.
    Wenn Oma Bessies Haus einen Käufer gefunden hätte – wo wäre ich dann wohl jetzt? Hätte er ein anderes Versteck gefunden, das für eine Entführung ebenso gut geeignet gewesen wäre?
    Mum und Dad hatten eine heftige Auseinandersetzung, beinahe einen Streit, als Mum erklärte, die einzige Möglichkeit, Mandys Pflege zu bezahlen, bestehe darin, den Wagen nicht zu ersetzen und auf den Urlaub zu verzichten. Und er sagte, er habe nichts dagegen. Zwei gute Entscheidungen für das Wohl der Erde; doch in der Nacht verfolgte mich Mandys verweintes Gesicht.
    Alles Mögliche ging mir durch den Kopf. All die Frauen wie Mandy, die sich Kinder wünschten und in ihren Betten weinten. Die Selbstmorde. Die umherstreifenden Banden, die raubten, was ihnen gefiel. Und Sals Überzeugung – die Ansichten der FLAME -Frauen, die Art und Weise, wie MTS Männer und Frauen entzweite. Und das Geschnatter der kleinen Protestgruppen, die nichts erreichten.
    Ich dachte, irgendetwas muss man doch tun können, bevor alles auseinanderfällt und den Bach runtergeht. Ich dachte daran, wie wir mal auf der Schnellstraße gefahren waren. Ein Stein kam angeflogen und prallte gegen die Windschutzscheibe. Das Glas bekam einen Knacks, von dem langsam ein Riss zur Fahrerseite wanderte. Mein Dad fuhr auf die Standspur, um die nächste Ausfahrt zu nehmen. Der Riss im Glas wanderte weiter, ganz langsam, als wäre er lebendig, und schlängelte sich über die Windschutzscheibe. Als wir an der Ausfahrt anlangten, erreichte der Riss die andere Seite, und von dort ging ein neuer Riss aus, der einen leicht ansteigenden Verlauf nahm. Es war, als kritzele jemand Linien aufs Glas. Dad musste am Kreisverkehr halten, und als er wieder anfuhr, ruckte der Wagen, und auf einmal barst das ganze Fenster. Dad musste das Glas mit dem Straßenatlas herausschlagen. Und ich dachte, so geht es auch uns. MTS war erst ein Riss, aber jetzt bricht die ganze Welt in Stücke.
    Der einzige Hoffnungsschimmer, den ich sehen konnte, waren die tiefgefrorenen Embryos, deren Geburt ihre Mütter das Leben kosten würde.

13
    Ich machte mir viele Gedanken über sie. Sie gingen mir nicht aus dem Kopf. Zu unterschiedlichen Gelegenheiten, in unterschiedlicher Stimmung dachte ich an die jungen Frauen, die sich freiwillig für das Programm meldeten.
    Sal engagierte sich immer mehr in der FLAME -Gruppe – auch ihre Mum ging zu den Treffen. Ich war noch nicht so weit und fühlte mich einsam, und als Mary anrief, mich fragte, ob ich bei einer großen Altkleidersammlung von YOFI helfen wolle, und mir mitteilte, dass Iain in London sei, sagte ich zu. Ich wollte mich nicht wieder bei ihnen engagieren, doch es konnte nicht schaden, wenn ich sie alle mal wiedersah. Es waren aber gar nicht so viele Leute da; offenbar waren auch noch einige andere abgesprungen. Ich hatte den Eindruck, YOFI pfeife aus dem letzten Loch.
    Jacob hatte Bier mitgebracht, denn er hatte Geburtstag. Die Klamotten rochen wie alte, abgelegte Kleider. Der Geruch breitete sich überallhin aus, auch auf den Geschmack des Biers. Die brauchbaren Sachen wollten sie bei einem Tauschmarkt anbieten und den Rest in die Koffer packen, die bei dem schon zweimal verschobenen Flughafenprotest zum Einsatz kommen sollten. Jemand legte eine Kassette ein, und der Rhythmus der Musik brachte uns auf Touren.
    »Ich wette, das meiste davon stammt von Toten«, sagte Mary. Ich dachte an die Frauen, die an MTS gestorben waren, und fragte mich, ob ihre Männer ihre Sachen weggegeben hatten. Stellte mir vor, wie sie den Kleiderschrank ihrer Ehefrau durchwühlten und alles in die Sammelbeutel packten – die T-Shirts, die Jeans, all die Sachen, in denen sie sie jeden Tag gesehen hatten.
    Ich dachte an Dads Bemerkung zu den Schlafenden Schönen und den tiefgefrorenen Embryos, die jetzt dazu beitragen würden, das Überleben der Menschheit zu sichern. Ich versuchte auszurechnen, wie viele Kinder eine Freiwillige bekommen würde. Wenn sie eine Tochter zur Welt brächte und wenn die Tochter Kinder hätte, die wiederum Kinder bekämen … dann wären das nach ein paar

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