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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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wusste.

3
    Dann gab es eine offizielle Bekanntmachung. Sie wurde die ganze Woche über im Fernsehen und in den Zeitungen wiederholt; damit wurde offiziell bestätigt, dass es sich bei MTS um eine weltweite Seuche handele und dass alle Menschen infiziert seien. Man verglich die Krankheit mit HIV und erklärte, die meisten von uns könnten ihr Leben weiterleben, ohne zu erkranken; der Auslöser für die tödliche Erkrankung sei die Schwangerschaft. Uns wurde versichert, die Regierungen in aller Welt arbeiteten zusammen, um die Forschung voranzutreiben, bla, bla, bla.
    Ich weiß noch, dass ich die Verlautbarung mit Mum und Dad im Fernsehen sah und meine Eltern anschließend anstarrte. Sie hatten die Krankheit. Ich hatte sie. Wir alle hatten MTS . Es war, als wüsste man, dass man ein langsam wirkendes Gift geschluckt hat. Ich wollte nicht mit ihnen zusammensitzen, deshalb ging ich nach oben auf mein Zimmer und simste Baz an. (Wie lächerlich. Schon allein seinen Namen zu schreiben macht mich glücklich. Baz, Baz, Baz. Und jetzt laufen mir dumme Tränen über die Wangen.)
    Damals war er nur ein Freund. Wir hatten zusammen die Grundschule besucht. Jahrelang besuchte ich nur wegen ihm die Sonntagsschule – sein Dad war Vikar, und Baz ging immer hin, also schloss ich mich ihm an. Wenn man mit ihm redet, hat man manchmal das Gefühl, er übe im Kopf noch immer Klavier, und man fragt sich, ob er einen überhaupt gehört hat. Wenn er dann den Mund aufmacht, stellt man fest, dass er nur gründlich nachgedacht hat, anstatt einfach loszuplappern. Als wir zur höheren Schule wechselten, schlossen wir neue Freundschaften und gingen uns dort aus dem Weg, als ob wir uns gegenseitig peinlich wären. Allerdings trafen wir uns noch immer zu Hause.
    An dem Abend rief er mich an und meinte, seine Eltern wären ausgegangen, ich solle vorbeikommen und Sal und noch ein paar Leute mitbringen. Ich wollte Sal nicht dabeihaben. Mir war danach, mich mit ihm allein zu unterhalten. Ich hatte geglaubt, er wäre der einzige Junge, der sich nichts aus Sal machte, doch da hatte ich mich anscheinend geirrt. Ich betrachtete mich im Spiegel und dachte, wie schön das Leben doch wäre, wenn meine Beine länger und meine Titten größer wären und näher beieinandersäßen. Ich überlegte, ob ich mir das Haar blond färben sollte wie alle anderen, doch dann fiel mir ein, dass wenigstens meinem Dad meine braunen Haare gefielen. Er nannte mich sein nussbraunes Mädchen wegen meiner haselnussbraunen Augen und meines kastanienbraunen Haars. Meine buschigen braunen Raupenbrauen vergaß er zu erwähnen. Es hatte keinen Sinn, mein Haar zu entwirren, ich sah abstoßend aus, na und?
    Also ging ich mit Sal bei ihm vorbei, und alle waren in einer seltsamen Stimmung. Rosa Davis war da, mit der Baz im vorigen Jahr kurz zusammen gewesen war. Das zählte nicht, nach zwei Wochen hatte er Schluss gemacht. Sie tat so, als wäre sie stockbesoffen. Baz trug ein schwarzes T-Shirt mit einem blauen Wal darauf, der genau die Farbe seiner Augen hatte. Nach einer halben Stunde rief Sal Damien an und brachte ihn dazu vorbeizukommen. Die beiden knutschten eine Weile, dann gingen sie nach oben. Ich fragte Baz, wo seine Eltern wären. Sein Dad arbeitete mit Obdachlosen und veranstaltete ein Beratungswochenende, um ihnen Trost und Halt im Glauben zu vermitteln, und seine Mum half ihm dabei. Wir lachten darüber, dass MTS gut fürs Geschäft sei – für Priester und Bestatter. Ich fragte ihn, ob er die Bekanntmachung im Fernsehen gesehen hätte, und er bestätigte das zögernd, als wollte er noch mehr dazu sagen.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Ich glaube, wir haben es vielleicht verdient.«
    » MTS ?«
    Er nickte.
    »Warum?«
    »Früher oder später musste etwas Schlimmes passieren. Die Menschen haben so vieles vermurkst …«
    »Wie zum Beispiel die globale Erwärmung?«
    »Ja. Und dass uns Öl, Wasser und Nahrung ausgehen. Ich glaube, irgendetwas Schlimmes musste passieren. Der Boden war bereitet.«
    »Nicht von uns«, sagte ich. »Von unseren Eltern. Und von deren Eltern. Das sind die, die alles verbockt haben.«
    »Stimmt. Aber jetzt, wo es passiert ist, können alle jemand anderem die Schuld geben. Anstatt wütend auf die Regierung zu sein, weil sie Wissenschaftler dafür bezahlt, dass sie schreckliche Waffen entwickeln, oder auf sich selbst, weil sie die ganze Welt verdreckt haben, geben sie einem unbekannten Monster die Schuld.« Baz klopfte einen kurzen Rhythmus auf seine

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