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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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Fötus nicht an. Ihr Immunsystem schaltet eine Stufe zurück, damit das Baby wachsen kann. Die Frau duldet aber nicht nur die Spermie, sondern ist zugleich auch weniger gut gegen die vielen Bösewichter geschützt, die vielleicht in ihren Körper eindringen wollen.«
    »Und deshalb bekommt sie MTS ?«
    »So stellt man sich das vor. Die vorübergehende Schwä chung ihres Immunsystems, die es ihr erlaubt, schwanger zu bleiben, macht sie anscheinend empfänglich für das Muttertod-Syndrom. An dieser Stelle setzt MTS an. Die Lücke ist winzig klein – wer auch immer das Virus entwickelt hat, ist entweder ein Genie oder hat Riesendusel gehabt.«
    »Und wenn sich das Syndrom voll entwickelt hat …«
    »Man nimmt an, dass dann CJK ausgelöst wird, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Man hat das Aids-Virus mit CJK kombiniert, das glauben jedenfalls die Forscher. Das Aids-Virus setzt sich fest und macht die Frau verwundbar für alle möglichen anderen Krankheiten, und als Erstes bekommt sie CJK . Dafür ist kein Heilmittel in Sicht – es gab auch nie eins, schon zu Zeiten des Rinderwahnsinns nicht.«
    »Das muss ein Wissenschaftler getan haben.«
    »Ein Zufall war’s jedenfalls nicht.«
    »Aber warum ?«
    »Vielleicht geht es ihm um Macht? Religion? Da kann man nur raten, Jessie.« Er hatte die Kartoffeln in dünne Scheiben geschnitten und legte sie in die Pfanne, wo sie zischten und brutzelten. Der Geruch von heißem Öl breitete sich in der Küche aus. »Deck schon mal den Tisch, Schatz, die sind fast fertig. Und lass uns das Thema wechseln, einverstanden?«
    Ich schob meine Schulbücher aus dem Weg.
    »Komm schon«, sagte er, »wie wär’s mit dem perfekten Verbrechen? Du musst eine Straußenfeder und eine Sicherheitsnadel verwenden. Du hast drei Minuten.« So spielten wir das. Gaben einander einen Hinweis oder eine Waffe. Wir schafften es immer, uns zum Lachen zu bringen. Mir kam es vor wie die Erinnerung an ein anderes Leben. »Na los«, sagte er, »mein nussbraunes Mädchen.«
    Als Nächstes starb Sals Tante in Birmingham. Sie war in der zehnten Woche schwanger. Sals Tante und ihr Onkel hatten schon drei Kinder. »Mum meint, wir könnten Tommy, den Jüngsten, zu uns nehmen«, sagte Sal.
    »Hat es deine Mum sehr mitgenommen?«
    Sie verzog das Gesicht.
    Ich kam mir unbeholfen, dick und elend vor, wollte mich aber unterhalten. »Was glaubst du, weshalb das geschieht?«
    »Was weiß ich.«
    »Nein, ich meine, was steckt dahinter?«
    Sie ließ den Atem zischend entweichen. »Jemand will die Menschheit ausrotten.«
    »Aber warum ?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Ich hab mir Gedanken darüber gemacht.«
    Sal hob Kleidungsstücke vom Boden auf und warf sie auf einen Haufen in der Ecke. »Sag schon, Superhirn.«
    »Vielleicht hatten sie ja einen bestimmten Grund.«
    »Und der wäre?«
    »Dass sie alle Menschen hassen.«
    »Na toll.«
    »Bestimmt sind sie … richtig zornig.«
    »Weswegen?«
    »Wegen allem. Wegen der Kriege. Wegen der Ungerechtigkeit.«
    »Die werden sie damit wohl kaum beheben, oder?«
    »Nein. Aber damit endet alles Schlechte.«
    »Weshalb greifen sie dann Frauen an? Warum ausgerechnet Frauen und ihre Babys? Wenn sie die bösen Menschen ausrotten wollen, weshalb nehmen sie sich dann nicht die Politiker vor – oder die Pädophilen?«
    »Weil … ich weiß auch nicht.«
    »Warum machst du dir über die Urheber der Seuche überhaupt Gedanken? Das sind Ungeheuer – sie sind böse, man sollte ihnen ein Loch in den Schädel bohren, es mit Nadeln spicken und siedendes Wachs hineingießen!« Sal fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich begreife nicht, weshalb du dir über sie Gedanken machst.«
    »Tut mir leid. Soll ich Kakao machen?« Sal mochte Kakao, und den tranken wir immer, wenn wir bei ihr waren. Als wir in die Küche hinuntergingen, wurde Sammy ganz aufgeregt und begann zu bellen, und am Ende ließen wir ihn im Garten einen Ball apportieren.
    Dies war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen ich mich mit Sal gestritten habe. Ich wusste wirklich nicht, was mich geritten hatte, doch ich wollte nicht bloß darüber sprechen, wie böse die Terroristen waren und wie man sie bestrafen sollte. Natürlich waren sie böse, aber vor allem wollte ich wissen, weshalb es so weit gekommen war. Oder was dies alles ausgelöst hatte, womit wir es ausgelöst hatten. Ich konnte mit diesem Blabla von wegen Ist das nicht schrecklich und grauenhaft nichts anfangen, so als wüsste ich etwas, das niemand sonst
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