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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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schwer!«, sagte er mit einem betrübten Lächeln.
    »Ist jetzt Schluss?«, fragte Rosa. Ich zwang mich, sie anzusehen. Sie sah hübsch aus mit ihrem blassen Teint und dem dunklen Haar. Hübscher als ich, wenn man von ihrem merkwürdigen Blick einmal absah. Aber wenn Baz auf sie stand, weshalb hatte er dann so getan, als ob er mich mochte?
    »Ah-ha! Das möchten sie euch glauben machen. Aber wir haben noch eine Geheimwaffe im Ärmel!« Er zog seinen Stuhl etwas näher heran und musterte uns nacheinander. »Was halten Sie von den Nachrichten?«
    »Die sind nicht gut. In einem Jahr werden wir zu alt sein«, sagte ich. Rosa nickte.
    »Und Theresa, was meinen Sie?«, fragte er freundlich. Er trug eine kleine marineblaue Fliege mit gelben Punkten, die lustig wirkte; mit seinem kahlen Schädel sah er aus wie ein Osterei.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich weiß nicht, was ich denken soll.«
    Er tätschelte ihr die Hand. »Das wundert mich nicht, meine Liebe. Das geht vielen so. Nun, ich werde Ihnen sagen, was ich weiß, und dann entscheiden wir, wie es weitergehen soll, einverstanden?«
    Er redete über die Prae- MTS -Embryos. Aus seinem Mund hörte sich das an wie ein Märchen. Er sagte, die Menschheit habe sich in einem gefährlichen Wald verirrt. Und die tiefgefrorenen Embryos wiesen den Weg nach draußen. Es gebe vielleicht noch andere gewundene Pfade in dem dunklen Wald, die einen durch tiefe Schluchten und Flüsse hindurch irgendwann in die Zukunft führen würden. Doch dies sei der einzige bekannte Weg. »Wir haben Erfahrungen mit den Schlafenden Schönen gesammelt und wissen, wie wir lebende Kinder zur Welt bringen können«, sagte er. »Und wir können die Embryos impfen. Es gibt Gerüchte über andere Heilmittel, Wunderdrogen, was weiß ich. Aber Wissenschaftler müssen nach Antworten suchen, die hier oben …« – er tippte sich an den glänzenden Schädel und zwinkerte uns zu – »… einen Sinn ergeben, und mein eingebauter Computer sagt mir, dass dieser Weg am aussichtsreichsten ist. Mit jedem Tag, den wir warten …« – er zuckte mit den Schultern – »… wird es schwerer für die Kinder. Es wird mehr Alte und weniger Junge geben.«
    »Aber warum haben sie dann geschrieben, wir müssten warten?«, wollte Rosa wissen.
    »Was ist auf dieser Welt jetzt kostbar? Nur diese Embryos. Geld kann einem nicht helfen, Grundbesitz kann einem nicht helfen, ein brillanter Verstand oder der Körper eines Athleten kann einem nicht helfen. Die Reichen sind es, die die Zukunft erben. Versteht ihr? Die am besten Angepassten werden überleben.«
    Wir nickten, obwohl ich nicht verstand, worauf er hinauswollte.
    »Am besten angepasst sind die tiefgefrorenen Embryos. Allein ihre Gene werden überleben. Die Eltern der Embryos besitzen Macht, und wenn wir sie ihnen vorenthalten, werden sie darum kämpfen. Das ist der Instinkt, ohne den wir alle sterben , ohne den die Mensch heit ausstirbt – der Instinkt, unsere Nachkommen zu schützen.«
    Ich dachte an Mum und Dad. Manchmal konnte der Instinkt schon recht lästig sein. Dr. Humpty Dumpty Golding lehnte sich zurück und streckte die Glieder. Selbst seine Schuhe glänzten wie neu. »So«, sagte er. »Bedauerlicherweise muss ich einräumen, dass die Politiker ihre Sache ganz gut machen. Wir müssen uns an das Gesetz halten. Wir setzen so große Hoffnungen auf diese Kinder, wir dürfen nicht zulassen, dass sie zum Spielball der Interessen werden. Und jetzt sagen Sie mir, was Sie denken. Wollen Sie immer noch mitmachen?«
    »Ja«, sagten Rosa und ich im Chor. Ich blickte Theresa an. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
    »Ich danke Ihnen«, sagte er ernst. »Theresa, Sie brauchen keine Angst zu haben. Die ganze Welt spielt verrückt, aber Sie sind Ihr eigener Herr, Sie brauchen nichts zu überstürzen.« Er lächelte Theresa an, und sie begann zu weinen. Behutsam tätschelte er ihr die Hand, zog ein zusammengefaltetes blassblaues Taschentuch aus der Brusttasche, schüttelte es aus und reichte es ihr. Er fragte sie, ob sie bleiben wolle, während er mit uns redete, und sie nickte. »Ich sage Ihnen was«, fuhr er fort. »Es ist machbar. Es gibt einige elternlose Embryos.« Er blickte uns erwartungsvoll an, zufrieden mit seiner rätselhaften Bemerkung. »Wenn wir in der Vergangenheit eine Totaloperation ausführen mussten, haben wir die Patientin gebeten, die Eizellen behalten zu dürfen. Die brauchte sie ja nicht mehr. Sie hatte ihre Kinder bereits
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