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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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bekommen, oder es waren Embryos von ihr gelagert. Ihre überzähligen Eizellen konnten anderen Frauen zugutekommen. Aber – aber, aber, aber! Eizellen kann man nicht einfrieren!« Dad hatte mir mal erzählt, man könne Eier nicht ins Gefrierfach tun. »Okay. Wir haben also diese gespendeten Eizellen. Aber wie sollen wir sie aufbewahren?«
    Wir wussten beide keine Antwort.
    »Man muss sie befruchten«, sagte er. »Wenn wir sie in vitro befruchten, ist die Eizelle glücklich, sie beginnt sich zu teilen. Ovum, Spermium, Zygote, Embryo. Alles ist bestens, und wir können sie einfrieren.« Er musterte uns triumphierend, und ich war froh, dass Rosa nachfragte.
    »Wie wird die Eizelle befruchtet?«
    »Hausintern. Der Embryo ist anonym.« Ich wurde auf die Schwester aufmerksam, die am Fenster sitzend der Unterhaltung lauschte. Ein Lächeln spielte um ihre Züge.
    »Was bedeutet hausintern?«, fragte Rosa.
    »Hier, in der Klinik«, antwortete Mr. Golding kurz und bündig.
    Rosa verstand noch immer nicht, deshalb erklärte er es ihr geduldig. Ich musste an die Helden aus der Anfangszeit der künstlichen Befruchtung denken, von denen der Quell aller Weisheit mir erzählt hatte. Damals konnte man noch nichts einfrieren, deshalb mussten sie immer frisches Sperma einsetzen – ihr eigenes. Jetzt hatte auch Rosa es kapiert. »Die Spender von Eizelle und Sperma wissen nicht einmal, dass sie gemeinsam einen Embryo gezeugt haben.«
    »Die Samenspender wissen es schon«, erwiderte er. »Aber sie wissen auch, dass diese Embryos ausschließlich der Forschung dienen.«
    »Sie gehören niemandem.«
    »Stimmt.« Es war, als sei eine schwere Tür aufgesperrt worden. Erst fiel ein Sonnenstrahl hindurch, dann verbreiterte er sich zu einem Lichtkeil, und dann auf einmal öffnete sich vor uns ein leuchtend heller Durchgang.
    »Werden Sie keine Probleme bekommen?«, fragte Rosa. »Wenn alle anderen ein Jahr warten müssen? Werden Sie nicht Schwierigkeiten bekommen, wenn herauskommt, dass wir schwanger sind?«
    »Verwaiste Embryos.« Er zuckte mit den Schultern. »In Kliniken ist das übliche Praxis. Im Charing Cross Hospital werden bereits die ersten Prä- MTS -Implantationen von anonymen Spenderinnen vorbereitet. Meine Kollegen in Birmingham stehen auch schon in den Startlöchern. Die Damen, die unsere Eingänge belagern, dürften allerdings kaum erfreut darüber sein.«
    » FLAME weiß nichts davon?«, fragte ich.
    Er legte den Zeigefinger an die Lippen und lächelte. »Das Fehlen namentlich bekannter biologischer Eltern macht es für uns leichter«, sagte er. »Wenn Sie und Ihre Eltern es wünschen, wird man ihnen Ihr Kind überlassen. Das müssen Sie mit ihnen besprechen.«
    »Und wenn sie es nicht wollen?«, fragte Rosa in aggressivem Ton.
    »Es besteht kein Mangel an Paaren, die es gerne adoptieren würden.«
    »Kann ich eine Erklärung unterschreiben? Das Kind zur Adoption freigeben?«
    Er antwortete, das könne sie tun, dann wandte er sich mir zu. Ich sagte, ich wolle mit Mum und Dad darüber sprechen. Ich hatte mich bereits darauf eingestellt, dass sie die Eltern meines Kindes wären. Mr. Golding schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. »So, meine Lieben. Jetzt haben Sie Zeit, sich alles in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen.« Er schüttelte uns beinahe feierlich die Hand, dann hielt er uns die Tür auf. Theresa ging als Erste hinaus. Rosa blieb zurück, und ich zögerte, weil ich ihre Unterhaltung mitbekommen wollte. Sie sollte nicht mehr wissen als ich auch.
    »Mr. Golding, darf ich hierbleiben?«
    »Hier?«
    »In der Klink.«
    »Moment.« Er rief die Krankenschwester zurück, die sich bereits über den Flur entfernte, und bat sie, wieder mit uns ins Zimmer zu kommen und das Diktiergerät einzuschalten. Ich ahnte schon, was Rosa vorhatte, und bekam Herzklopfen. Mr. Golding schloss die Tür. »Rosa?«, sagte er.
    »Ich brauche keine Bedenkzeit. Und es ist nicht mehr lange bis zu meinem Eisprung. Wenn ich jetzt nicht loslege, muss ich einen Monat warten.«
    »Bei mir ist es das Gleiche«, warf ich ein.
    Er blickte von Rosa zu mir und wieder zurück. »Können Sie beide am Montag kommen?«
    »Ich würde lieber gleich hierbleiben«, sagte sie. »Bitte.«
    »Verraten Sie mir den Grund«, bat er freundlich.
    »Ich will den Abschied umgehen. Das ganze Tamtam. Ich will es einfach hinter mich bringen.«
    »Sie müssen mit Ihrer Mutter sprechen«, sagte er.
    »Sie kann mich doch hier besuchen. In der Klink.« Rosa verstand es, ihren Willen
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