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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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klettert den schroffen Granitfelsen hinauf, wendet sich ein letztes Mal zu mir um und verschwindet.
    Ich bin allein.
    Nein, nicht ganz. Die Hummer paddeln um mich herum.
    Das Meer kommt mit brutaler Gewalt, unaufhaltsam steigt das Wasser, das mir, wenn ich den Kopf zurücklege, bis zu den Lippen reicht. Mit Wucht branden die Wellen über mich hinweg, und jedes Mal atme ich das Salzwasser durch Mund und Nase ein. Viertel nach drei ist High Tide. Und wie spät ist es jetzt? Wie lange bleibt mir noch, bevor ich ertrinke?
    Gottesurteil – von wegen! Wenn ich das hier überlebe, kann Corentin sich auf was gefasst machen!
    Der Schwung des tosenden Wassers reißt mich herum, schleudert mich durch den engen Käfig. Würgende Panik steigt in mir auf, und mein Blut gefriert zu Eis. Als ich verzweifelt aufschluchze, schlucke ich erneut Wasser und muss husten.
    Im Donnern des Gewittersturms kriecht die Flut unaufhaltsam an den moosüberwucherten Felsen hinauf – der größte Tidenhub der Welt! Das Wasser steigt so schnell!
    Einer der Hummer krabbelt an meinem rechten Arm empor. Ich werfe mich gegen das Drahtgeflecht und versuche ihn an den Maschen abzustreifen, doch vergeblich. Er rammt mir seine Scheren in den Oberarm. Ich schreie vor Schmerz und schlucke erneut Wasser.
    Als ich panisch nach dem anderen trete, gleite ich auf dem verwobenen Metall aus und sinke unter die Wasseroberfläche.
    Es ist dunkel um mich. Und laut. Das aufgewirbelte Wasser dröhnt in meinen Ohren. Und dann passiert es: Unter dem Druck einer Woge neigt sich die Reuse zur Seite und richtet sich nicht wieder auf, weil sie offenbar im lockeren Sand feststeckt. Ich kann nicht mehr atmen! Panisch unterdrücke ich einen Schrei. Ich reiße die Augen auf und blicke mich hektisch um. Sand wirbelt auf und wabert wie Nebel um mich herum.
    Ein Schatten treibt auf mich zu, ein dunkler Schemen vor der Schwärze des Meeres. Was ist das? Verfilztes Portulak von den von tiefen Prielen durchzogenen Salzwiesen, wo die Salzlämmer weiden? Ein Geflecht aus Wurzeln aus den mückenverseuchten Sümpfen rings um die Bucht? Ein Schwarm Fische? Oder aufgewirbelter Sand? Oder …
    Es kommt direkt auf mich zu! Es lebt!

Yannic
Kapitel 46
    Auf der Abteitreppe
Gegen drei Uhr morgens
    Traurig hebe ich meinen Dudelsack auf und presse ihn an mich, dann raffe ich meinen Habit und nehme die letzten Stufen der Abteitreppe hinauf zur Kirche. Wie gelähmt stoße ich das Portal auf und gehe durch das dunkle Seitenschiff, um die endlose Treppe zur Totenkapelle hinabzusteigen.
    »Père Yann!«, weht es leise durch das Labyrinth der Gänge.
    In der Tür der Chapelle Saint-Etienne bleibe ich stehen und bekreuzige mich. Conan liegt mit gefalteten Händen auf dem als Katafalk geschmückten Sarkophag. Robin und Raymond haben ihn aufgebahrt. Der Anblick meines Freundes treibt mir die Tränen in die Augen. Ich muss schlucken, während ich vortrete und seine steifen, kalten Hände in meine nehme. Auf dem Weg in die Hölle habe ich dich bald eingeholt, Conan.
    »Père Yann? Die Vigil!« Der Significator Horarium läutet die Glocke, die mich zum Stundengebet rufen soll. »Père Yann!«
    Sie suchen mich.
    Ich richte mich auf, drücke Conans Arm, als lebte er noch, und verlasse die Totenkapelle, um die Stufen zur Krypta Notre-Dame-sous-Terre hinaufzugehen.
    »Yannic?« Robins beunruhigte Stimme hallt mir entgegen.
    Die Weihrauchschwaden aus den Räuchergefäßen vor dem Portal der Krypta sind so undurchdringlich wie die Herbstnebel über der Bucht. Und so dicht, dass sie mein Gefühl, als sei ich gelähmt, noch zu verstärken scheinen.
    Unter meinen Sandalen rascheln und knistern die herausgerissenen Seiten meines Breviers.
    Ich verharre mitten in der Bewegung. Reglos bleibe ich einen Augenblick auf den Stufen stehen, horche angespannt und taste nach der Münze mit Saint-Michel unter meinem Skapulier. Plötzlich fühle ich mich beobachtet.
    »Yannic! Um Gottes willen, wo steckst du?« Padric. In großer Angst. Fürchtet er, ich könnte ermordet werden?
    Ich lausche dem verklingenden Echo und gehe langsam weiter die Treppe hinauf.
    Dann geschieht es! Wie eine schwarze Fledermaus schießt plötzlich ein Schemen aus einem Torbogen links von mir und prallt mit Wucht gegen mich. Sein Gesicht liegt im Schatten der Kapuze, sodass ich ihn nicht erkennen kann, während ich seitwärts taumele, über die erste Stufe stolpere, das Gleichgewicht verliere und mit hochgerissenen Armen rückwärts die Treppe

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