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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Leichnam kann ich zwischen den schroffen Felsen nicht sehen.
    Nur ein Gedanke beherrscht mich: Ich darf nicht sterben! Ich muss das Testament des Satans vernichten!
    Nur ein Mann, für den es um Leben und Tod geht, würde es wagen! Sant Mikael, steh mir bei!
    Corentins Schwert saust nieder, doch im letzten Augenblick werfe ich mich herum. Ich breite die Arme aus wie Engelsflügel, stoße mich ab – und springe.
    Ich stürze in die Tiefe, bis mich die kräftigen Äste der jungen Eiche auffangen. Mit einem Krachen breche ich durch die im Sturm rauschenden Zweige. Sie zerreißen meinen Habit und peitschen mir über Gesicht und Arme.
    Der Schmerz, als ich auf dem Stamm aufpralle, presst mir die Luft aus der Lunge. Ich darf nicht abrutschen an der nassen Rinde! Verzweifelt klammere ich mich an die einsame Eiche.
    Aber ich schaffe es nicht. Meine Hände finden keinen Halt mehr. Immer schneller stürze ich, wieder und wieder hart aufschlagend, die karstige Klippe hinunter in die Tiefe.

Alessandra
Kapitel 77
    Vor dem Portal der Krypta Notre-Dame-sous-Terre
Kurz nach acht Uhr morgens
    Ich zittere in meiner tropfnassen Kleidung. Mir ist so entsetzlich kalt!, denke ich benommen. Warum werde ich nicht wach? In meinem Verstand glimmt kein Funke auf. Es war das Wasser, das er mir eben gegeben hat. Es muss das Wasser gewesen sein.
    Wie ich vom Kerker hierhergekommen bin, vor das Portal der Krypta Notre-Dame-sous-Terre, weiß ich nicht.
    Als sie vorhin Yannic brachten, blutüberströmt und bewusstlos, steckte ich festgekettet in einem der beiden Jumeaux. Ich kann mich erinnern, dass ich entsetzliche Angst hatte. Seit Jerusalem ertrage ich diese finstere Enge nicht mehr.
    Robin kniete sich an den Rand meines Verlieses und sah zu mir herunter. Er versprach mir, dass meine Kerkerhaft nicht lange dauern würde. Sollte das ein Trost sein?
    Nachdem alle hinauf in die Kirche gegangen waren, rief ich nach Yannic, aber er antwortete nicht. Sie hatten ihn in den anderen der beiden Jumeaux gelegt. Ich habe gesehen, wie er gesprungen ist, wie er abgestürzt ist. Unten an der Mole ist sein Körper aufgeprallt. Lucien hat sich neben ihn gekniet, um ihm die Sakramente zu spenden, Robin hat sich bekreuzigt, und Padric hat sein Gesicht in den Händen verborgen, als ob er weinte. Da dachte ich, Yannic würde sterben.
    Corentin gefiel sich in der Rolle des siegreichen Erzengels, der dem vom Himmel gestürzten Engel das Flammenschwert abnimmt. Padric bot sich an, das Schwert in die Abtei zurückzubringen, das konnte ich sogar aus großer Höhe sehen, doch Corentin winkte ab, hängte sich den Schwertgurt über die Schulter und verschwand hinter den Baumwipfeln. Dann hoben die anderen Yannic hoch und trugen ihn weg.
    Wohin Corentin das Testament des Satans gebracht hat, weiß ich nicht. Vermutlich in die Krypta hinter mir.
    Meine Arme sind ausgebreitet, meine Beine gespreizt. Ich versuche, mich zu bewegen, aber es geht nicht. Ich kann nicht einmal den Kopf drehen, um zu sehen, wo Corentin ist. Und ich kann nichts spüren, nicht einmal die Schmerzen. Hat er mich mit Stricken ans Portal gefesselt? Aber wozu?
    O Gott, ich ahne es.
    Angst steigt in mir auf, wie eine Hitzewelle fährt sie durch meinen Körper. Mein Herz rast. Ich muss schlucken, aber selbst das fällt mir schwer. Ich kann mich nicht wehren, ich kann nicht entkommen, ich bin ihm ausgeliefert.
    Das Portal neben mir öffnet sich, und Corentin kommt aus der Krypta. Er hat seine Maske abgelegt.
    »Hast du geträumt?«
    Ich will ihn verfluchen, aber mehr als ein ersticktes Röcheln bringe ich nicht heraus.
    Er tritt ganz nah an mich heran und sieht mir in die Augen. »Der Horror geht weiter, Alessandra. Es ist noch nicht vorbei.« Er zeigt mir den Hammer und vier lange Nägel, die er von der Baustelle geholt hat. Mit solchen Nägeln bauen die Zimmerleute die Gerüste für den neuen Chor. Mit solchen Nägeln werden Balken aufeinandergenagelt. Oder Menschen gekreuzigt.
    »Du bist das sechste Siegel.«
    O Gott, hilf mir doch!, bete ich, während Corentin den ersten Nagel entschlossen oberhalb des Handgelenks in meinen linken Unterarm drückt.
    Ich bin das sechste Siegel. Ist Yannic das siebte und letzte? Und dann? Weiter als bis zu Yannic, der im Kerker auf seine Hinrichtung wartet, kann ich nicht denken. Die Ereignisse jenseits meines eigenen Todes sind für mich unvorstellbar.
    »Ich opfere sieben Seelen, um die Menschheit zu retten«, murmelt Corentin, ohne mich anzusehen. Er wirkt wie berauscht,

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