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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Mönch? Wer ist er? Le Coz? Oder Le Fur?
    Die Schultern gegen den Sturm hochgezogen husche ich zur Brüstung der Terrasse, greife nach meinem Dudelsack und hetze zum Kirchturm. Dahinter liegt die Abteitreppe, die auf der anderen Seite der Kirche zum Châtelet hinabführt. Ich muss Alessandra warnen. Sie ist in Lebensgefahr.
    Während ich mit flatternder Kukulle zum Turm hetze, entweicht mit einem durchdringenden Brummen die restliche Luft aus dem Dudelsack.
    Das Portal habe ich erreicht, als ich hinter mir einen Fluch vernehme: Sie haben mich entdeckt und folgen mir.
    Mit Wucht stoße ich die Tür auf, hetze durch den dunklen Innenraum des Turms, reiße schwungvoll die gegenüberliegende Tür auf und stürme über die kleine Terrasse, die wie eine Klippe über den Abgrund ragt, zur nahen Treppe, die in die tiefe Schlucht zwischen der himmelwärts strebenden Abteikirche und der festungsartigen Abtresidenz hinabtaucht.
    Gerade als ich die erste Stufe erreiche, höre ich hinter mir einen Schrei. »Es ist Yann! Er darf nicht entkommen!«
    Ich werfe den Dudelsack fort, springe die unbeleuchtete Treppe hinunter und verschwinde durch einen schmalen Durchgang in die Krypta Saint-Martin, wo auf dem Altar eine Kerze einsam vor sich hin flackert.
    Hastig sehe ich mich um.
    Keine Nischen in den massiven Mauern, die das Fundament der Abteikirche über mir bilden, und die halbrunde Apsis hinter dem Altar ist zu klein. Auch hinter dem prächtigen Gobelin mit dem Erzengel, der die Seelen der Verstorbenen als bleiche Skelette zum Jüngsten Gericht führt, kann ich mich nicht verstecken.
    Los, weiter! Die Stufen hinauf, einen gewundenen Gang entlang, dann tauche ich in die nachtschwarze Finsternis der Krypta der dicken Pfeiler unterhalb des eingestürzten Chors.
    Die Luft der Krypta ist erfüllt von dichten Weihrauchschwaden, die sich aus etlichen Gefäßen zum Gewölbe emporkringeln. Du lieber Himmel, so viel Weihrauch ist vor zwei Jahren nicht verbrannt worden, als Königin Marie d’Anjou zum Mont pilgerte und mit ihrem Gefolge im Gästesaal residierte. Wen will der Prior mit den Weihrauchschwaden in die Flucht schlagen? Satan? Oder Alessandra, die er noch ein bisschen mehr zu fürchten scheint?
    Hinter einem der gewaltigen Pfeiler verborgen bleibe ich stehen und horche in das Fauchen des Sturms zwischen der Merveille und dem Chor der Kirche – das Portal der Krypta hinter mir steht offen. Weiß der Himmel, warum!
    Die Finsternis ist undurchdringlich, bis ein erstes Lodern des nahenden Gewittersturms den Nachthimmel erhellt und die Krypta in ein fahles Leuchten taucht. Der verwirbelnde Weihrauch bildet geisterhaft sich bewegende Ornamente aus Licht und Schatten.
    Ein Schemen, dort in den Schatten zwischen den Säulen!
    Der Prior hat seinen Dolch gezogen und kommt Schritt für Schritt näher. Er will mich in die Enge treiben. Hat er mich im Flackerlicht der Blitze gesehen?
    Ein Gedanke durchzuckt mich: Wo ist der andere?

Der Hüter des Erzengels
Intermezzo 2
    Auf der Terrasse vor dem Dormitorium
Viertel vor ein Uhr nachts
    Noch immer kauert der Hüter in der Dunkelheit, beobachtet Liliths Tochter, und wartet.
    Die Zeit ist gleich um. Es ist so weit.
    Als er wie ein Raubtier vor dem Sprung seine schmerzenden Muskeln anspannt, spürt er, wie der Dämon wieder Besitz von ihm ergreift, eine dunkle Macht, der er sich nicht widersetzen kann – wie in jener entsetzlichen Nacht, als er seinen ersten Mord beging. Wie von Sinnen fiel er über den Frater her, der den verborgenen Schrein mit der Reliquie des Satans geöffnet hatte, und zerfetzte ihn mit seinem Dolch. Das Blut spritzte bis an die Wände und rann daran herab. Dann machte er sich an Gilles’ Leichnam zu schaffen und wühlte mit beiden Händen in Blut und Scheiße, um mit seinen Fingern die rätselhaften Zeichen auf den Boden zu malen, die seine Konfratres zu Tode erschreckten …
    Seine Muskeln verkrampfen sich, als er sich wie so oft an jene Nacht erinnert, als der Chor der Abteikirche über ihm einstürzte. Er lag mit ausgebreiteten Armen vor dem Altar und betete zum Arc’hael Mikael, als plötzlich die Erde bebte. Mit einem Donnergetöse brach die halbe Kirche über ihm zusammen. Die Steinquader aus dem romanischen Gewölbe hoch über ihm schlugen um ihn herum auf den Boden. Einer der massiven romanischen Strebepfeiler des Chors verlor durch das herabstürzende Gewölbe den Halt, neigte sich auf ihn zu, immer stärker, immer schneller, und drohte ihn zu erschlagen, als

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