Das Teufelslabyrinth
Schule war er da geraten? Selbst die renitentesten Jungs an der Dickinson waren nie aus dem Unterricht abgehauen und hatten jemanden umgebracht, jedenfalls so weit er wusste. Dann erinnerte er sich an die Leute, die er und seine Mutter am Morgen auf der Treppe zur Schule getroffen hatten. Das mussten Kips Eltern gewesen sein. Und plötzlich fielen ihm wieder die letzten Worte des Mannes ein:
… müssen verrückt sein, wenn Sie Ihren Sohn hier lassen … kein guter Platz für Kinder … das können Sie mir glauben.
Das können Sie mir glauben.
Willkommen in St. Isaac’s, dachte Ryan verwirrt. Er hatte Schmerzen, war hundemüde und jetzt stellte sich auch noch heraus, dass er den Platz von jemand einnahm, der tot war. Und nicht nur einfach gestorben, sondern erschossen, nachdem er einen anderen Menschen umgebracht hatte.
In dem Moment wollte Ryan nur noch nach Hause. Möglich, dass er hier nicht Gefahr lief, von den Frankie
Alitos dieser Welt vermöbelt zu werden, aber nach dem, was Kip Adamson zugestoßen war, wäre er an der Dickinson High bestimmt besser aufgehoben als hier.
14
Teri saß mit einem Glas Wein auf ihrer Couch und begann sich endlich ein wenig zu entspannen. Als sie am Nachmittag nach der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte sie eine schreckliche Leere empfangen - so als ob das Haus wusste, dass Ryan nicht nur nicht da war, sondern auch für die nächsten Wochen nicht nach Hause zurückkehren würde.
Aber das Haus fühlte sich nicht nur leer an, nicht nur verlassen.
Nein, schlimmer, es kam ihr vor wie ein Geisterhaus, in dem die Erinnerungen an Ryan und Bill und all die schönen Momente, die sie zu dritt unter diesem Dach erlebt hatten, herumspukten.
Sie hatte Tom angerufen, der ihr jetzt in dem Sessel gegenübersaß, und fühlte sich etwas besser, wenngleich noch immer nicht richtig wohl. »Ich versuche mich gerade an das letzte Mal zu erinnern, als ich hier allein im Haus war«, sagte sie. »Das war vermutlich damals, als Ryan in einem Hockey-Camp in Toronto war. Er war elf, und es war im gleichen Jahr, als Bill zurück in den Irak beordert wurde.« Sie zwang sich zu einem Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. »Ich hatte ganz vergessen, wie ungern ich hier allein bin. Früher hatte ich immer
noch Ryan, wenn die Army Bill irgendwo hinschickte. Im Jahr einundneunzig, als Bill nach Kuwait ging, war Ryan noch ein Baby, aber immerhin war er bei mir. Und jetzt …« Sie ließ den Rest des Gedankens unausgesprochen.
Tom setzte sich zu ihr aufs Sofa und legte den Arm um sie. »Lass uns einfach gemeinsam die Ruhe genießen«, sagte er und zog sie liebevoll an sich.
Doch die Geister in diesem Zimmer waren an diesem Abend zu präsent. Ryan war erst sechzehn Jahre alt und sollte eigentlich zu Hause wohnen. Sie machte sich aus Toms Umarmung frei, griff nach der Fernbedienung auf dem Couchtisch und schaltete den Fernseher an. »Ich möchte gern die Nachrichten sehen, okay?«, meinte sie und fragte sich plötzlich, ob Tom anzurufen wirklich eine so gute Idee gewesen war. Gut, seine Gesellschaft half ihr, die Leere im Haus zu füllen, doch jetzt konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er nicht nur den Abend mit ihr verbringen wollte, sondern auch die Nacht.
Der Bildschirm flackerte, und kurz darauf erschien das Gesicht von Gordy Adamson, dessen Miene eine Mischung aus Trauer und Wut widerspiegelte.
Teri hielt instinktiv die Luft an, als sie den Mann erkannte, dem sie an diesem Morgen auf der Treppe der St. Isaac’s Academy begegnet war, und drehte die Lautstärke höher.
»Kip war ein guter Junge«, hörte sie Mr. Adamson sagen. »Ich weiß, was die Polizei sagt, ist tatsächlich passiert, aber es will mir trotzdem nicht in den Kopf. Kip war bei Gott kein Waisenknabe - er war schließlich nicht grundlos auf der St. Isaac’s. Er war eben ein Teenager, verstehen Sie? Wir dachten, wenn wir ihn auf diese Schule
schicken, hilft ihm das durch diese Jahre. Aber ich fürchte, da haben wir uns getäuscht.«
Die Kamera schwenkte zum Eingang der St. Isaac’s Preparatory Academy, zeigte dieselbe Treppe, die Teri und Ryan am Morgen hinaufgestiegen waren.
»In der St. Isaac’s bemüht man sich seit 1906 um die Erziehung gefährdeter Jugendlicher«, erklärte der Reporter. »Und obgleich dies nicht der erste gewaltsame Vorfall ist, in den einer der Schüler verwickelt war, ist es jedoch der erste Vorfall, der mit dem Tod eines ihrer Schüler endete.«
Wieder folgte ein Schnitt, und jetzt sah
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