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Das tibetische Orakel

Titel: Das tibetische Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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purba. Und die Leute aus Yapchi mögen dich nicht.«
    Dremu lächelte, als würden Shans Worte ihn mit Genugtuung erfüllen.
    Shan sah den golok an, der diesen Blick herausfordernd erwiderte, sich mit einem Finger über den Schnurrbart strich und die andere Hand auf den Messergriff legte. Unvermittelt wandte Shan sich ab, ging neben einem großen Felsbrocken in die Knie und hob eine Ecke davon an. Er deutete auf Dremu und dann auf den Steinhaufen. Der golok runzelte die Stirn, stieg jedoch wortlos ab und half Shan, den Brocken oben auf den Stapel zu legen. Dann richtete Shan ein Mantra an den Mitfühlenden Buddha, und der golok senkte mit ernüchterter Miene den Kopf, als habe Shan sich unerwarteten Schutz besorgt. Er ging zu seinem Pferd und ritt weg. Shan befühlte die mala in seiner Tasche und mußte plötzlich daran denken, daß Drakte keine Bezahlung für den golok mitgebracht hatte. War die Gebetskette für Dremu bestimmt gewesen?
    Als Shan sich dem Lager näherte, fand er Lokesh wieder an der Grabungsstelle vor. »Sie schläft jetzt. Ich habe ihnen gesagt, wie man einen Tee gegen die Schmerzen zubereitet. Nachher schaue ich noch mal nach ihr«, erklärte der alte Tibeter.
    »Haben diese Leute dir verraten, wieso sie auf einmal keine Ärzte mehr wollen?«
    Lokesh und Shan sahen sich wissend an. Jeder hier kannte die Geschichten über chinesische Ärzte, die an Tibetern ungewollte Eingriffe vornahmen, zumeist Sterilisationen. Bisweilen kamen Tibeter in der Obhut chinesischer Mediziner sogar unter mysteriösen Umständen zu Tode. Doch die Furcht der Frau war dringlicher, zielgerichteter. Reiter waren ins Lager gekommen und hatten vor Ärzten gewarnt.
    Lokesh schüttelte den Kopf. »Sie haben Angst. Die Schreihälse in diesem Bezirk sind skrupellos.«
    Schweigend arbeiteten sie einige Minuten. Shan behalf sich beim Graben mit einem flachen Stein.
    »Ich habe gehört, wie du mit Lhandro und dieser Frau über Draktes Tod gesprochen hast«, sagte der Alte plötzlich. »Und über diesen Chao.«
    Shan sah seinem Freund in die Augen. Lokeshs Blick war nicht fragend, sondern enttäuscht.
    »Wir wissen, wie man im Sturm besteht«, sagte Lokesh leise. Es war eine Redensart aus ihrer Zeit im Gulag, wo die Lamas die Häftlinge ermahnt hatten, das Leid und andere Ablenkungen zu ignorieren und nur an ihren inneren Göttern zu arbeiten.
    »Du und ich haben Mönche im Gefängnis sterben gesehen, weil sie beschlossen hatten, sich nur noch um ihre inneren Götter zu kümmern«, sagte Shan nach einem Moment.
    Lokesh reagierte mit einem unzufriedenen Stirnrunzeln.
    »Was ist, wenn Draktes Mörder uns verfolgt?« fragte Shan. »Wie sollen wir dem Täter entgehen? Wie können wir sicher mit dem chenyi-Stein dieses Tal erreichen, wenn wir den Mörder nicht verstehen?«
    Der alte Tibeter schüttelte den Kopf. »Indem wir uns an unsere Götter wenden. Wenn es eine Gottheit zu erneuern gilt, gibt es nichts Wichtigeres. All die Arbeit, die wir in der Einsiedelei geleistet haben, war wie ein Gelübde. Ich bin daran gebunden. Und falls dieser Stein ein Stück meines eigenen Gottes verlangt, um bei der Heilung zu helfen, werde ich es mit Freuden hergeben.«
    Shan erkannte, daß sein Freund ihn mit diesen Worten herausforderte. Obwohl der Alte Shans Streben nach Wahrheit in all ihren Erscheinungsformen für gewöhnlich unterstützte, war diesmal alles anders. Es gab keine Regeln für die Heilung von Göttern, aber Lokesh wußte, daß der Versuch, einen Mörder zu verstehen, vermutlich genau das Gegenteil von dem Versuch bedeutete, eine Gottheit zu verstehen. Shan gab sich geschlagen und senkte den Kopf. »Ich bin daran gebunden«, flüsterte er ernst. »Ich kann im Sturm bestehen.«
    Sie gruben weiter, bis Lokesh einen triumphierenden Laut von sich gab und einen kleinen grauen Stein aus dem Boden holte. »Das ist sehr gut«, sagte er zufrieden und reichte den Fund an Shan weiter.
    Shan hatte so etwas zuvor schon gesehen. Es war tatsächlich ein seltener Glücksfall. »Ein Fossil, ein Trilobit, der vor vielen Millionen Jahren gelebt hat, als dieses Land auf dem Grund eines Meeres lag.«
    Lokesh stieß ein nachsichtiges Seufzen aus, als habe Shan das Wesentliche nicht begriffen. »Ein machtvolles tonde« , sagte er. »Um es zu erschaffen, mußten Wasser- und Erdgötter zusammenarbeiten.«
    Eine halbe Stunde später waren sie unterwegs zum Seeufer, als Lokesh stehenblieb und eine Hand an sein Ohr hob. »Ein Lied«, sagte er. »Aus der Erde

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