Das Tibetprojekt
einen Anhaltspunkt?«
»Nein. Es sei denn ...« Der
Butler
dachte an die alte Geschichte Tibets, die wohl nur der innerste Zirkel kannte, und fragte sich, ob es damit zu tun haben könnte.
Wie schon beim Anruf in Paraguay überkam ihn die Angst bei dem Gedanken daran. Eigentlich war das aber ganz und gar unmöglich.
Er blickte seinem Gegenüber irritiert in die Augen: »Es sei denn, ein Geist aus der Vergangenheit ist zurückgekommen.«
Göritz war unbeeindruckt und machte eine beschwichtigende Geste. »Für den habe ich auch eine Kugel.«
»Ich weiß nicht, ob einfache Kugeln da nützen.«
|183| »Stahlmann! Was für ein Blödsinn. Sie sind schon zu lange in diesem Land«, sagte Göritz, der nichts auf seine Berufsehre kommen
ließ, doch dann sah er Stahlmann genauer an. »Ist Ihnen der Appetit vergangen?«
»Schluss jetzt mit Ihren Scherzen. Die Sache ist äußerst ernst und Fehler dürfen nicht passieren. Ich werde versuchen, über
den Botschafter alles zu erfahren über den Täter oder die Hintermänner des Opfers und lasse Ihnen die Informationen dann zukommen.«
Göritz zuckte die Schultern. »Jedenfalls kommt der Mörder auch nicht an Decker ran. Ihm bleibt also nur die gleiche Alternative
wie uns. Ich werde vor Ort auf ihn warten. Und besagter Geist ist Geschichte.«
»Das haben wir schon mal gedacht. Und uns anscheinend geirrt.«
Es war ein dichtes Gewimmel unter all den bunten Schildern und roten Papierlaternen. Immer wieder rempelten die Leute einander
an. Drängeln war wohl Volkssport hier. So auch für den Mann in einem braunen Anzug, dem Decker gerade noch ein »Pass doch
auf« hinterherrief, bevor er sich wieder nach vorne wandte. Von dem, was hinter ihm geschah, nahm er keine Notiz. Der Mann
im braunen Anzug wollte sich gerade über das erbeutete Portemonnaie freuen, als ihn eine kampferprobte Hand von irgendwoher
aus der Menge mit einem Karateschlag lähmte. Keiner der übrigen Passanten bemerkte etwas von der Aktion. Aber der Taschendieb
bekam sofort Todesangst. Was war das für eine Technik? Als er sich instinktiv umdrehen und zur Abwehr ansetzen wollte, so
wie er es in seinem Leben auf der Straße gelernt hatte, traf ihn ein weiterer Schlag. Ein gezischter Befehl zwang ihn zum
Geradeausschauen. Gegen den unterdrückten |184| Schmerz und den Impuls zu Schreien würgte er hervor: »Du hast gewonnen. Du kannst die Beute haben«
Zu seiner Überraschung sagte die Stimme hinter ihm: »Gib das Portemonnaie zurück, sonst bist du ein totes Stück Hackfleisch!«
Dem Dieb trat der Schweiß auf die Stirn. Was ist hier los? Aber er gehorchte. Wortlos überholte er Decker und hielt ihm das
Portemonnaie hin. »Das haben Sie verloren«, sagte er auf Chinesisch und zeigte dabei auf den Boden.
Decker hatte zwar kein Wort verstanden, erkannte aber sein Portemonnaie und bedankte sich hocherfreut. Er wollte schon nach
einem Geldschein greifen, um den Mann zu belohnen, aber der winkte ängstlich ab und verschwand.
Decker fand einen Laden mit einem Kühlschrank, in dem Wasser und Limonade bereitstanden. Als er bezahlen wollte, fiel ihm
ein, dass er gar kein chinesisches Geld hatte. »Nehmen Sie auch Euro?«, fragte er vorsichtig. Der Händler schüttelte den Kopf.
Dann nahm er die Wasserflasche, die Decker auf die Theke gestellt hatte, lächelte und drückte sie ihm in die Hand. »Nehmen
Sie noch zwei Glückskekse!«, sagte er und zeigte auf eine Schale, die neben der Kasse stand.
Decker war so verblüfft, dass er tatsächlich zugriff. Der Händler sah ihm nach und schüttelte verwirrt den Kopf. Er verstand
selbst nicht, warum er plötzlich so großzügig war. Dieser blonde Mann musste wirklich etwas Besonderes sein. Er überlegte
gerade, ob er ihm nachlaufen und die Flasche wieder entreißen sollte, als wie aus dem Nichts eine Hand erschien und ihm fünf
Yuan über die Theke warf.
»Xie, xie«,
sagte er hastig. Männern in schwarzen Lederjacken zu widersprechen war nicht seine Art.
|185| Stahlmann legte das Geld auf den Tisch und ein Foto von Decker daneben. »So sieht übrigens Ihre Zielperson aus.«
Der Killer schaute es an. »Na, das wäre ja ein prächtiger arischer Zuchtbulle geworden. Nur die Haare müsste man bisschen
in Form bringen. Schade, dass er auf der falschen Seite kämpft.«
»Sie können sich ja mit ihm darüber unterhalten – bevor Sie ihn umlegen.« Stahlmann stand auf und rückte seinen Anzug zurecht.
»Es wird Zeit zu
Weitere Kostenlose Bücher