Das Tibetprojekt
und dem Meditationsraum«, sagte Decker und zeigte in eine bestimmte Richtung, »geht es vermutlich hier entlang.«
Als er vorgehen wollte, hielten ihn die beiden Soldaten zurück und drängten sich an ihm vorbei. Wenige Meter weiter vorne
öffnete sich schlagartig eine Tür und ein junger Mönch sprang laut brüllend in den Flur. Decker erschrak fürchterlich. Der
Mann hielt einen Kerzenleuchter in der Hand und wollte zum Angriff auf die Gruppe übergehen. Die Soldaten unterbrachen nicht
einmal ihren Schritt. Noch bevor der Mönch es sich versah, gab es ein dumpfes mattes Geräusch und der Mann fiel zu Boden.
Die Elitekämpfer gingen ruhig weiter, und Decker stieg über den bewusstlosen Körper im Korridor hinweg.
Sie irrten eine Weile durch das unbekannte Gebäude. Aber Decker hatte sich einige Grundrisse tibetischer Klöster angesehen
und konnte in etwa sagen, wo sie hinmussten. »Hier hinein«, sagte er an einer Stelle, »da liegen die wichtigsten Räume. Vielleicht
finden wir den Abt da.« Die beiden Soldaten sicherten den Raum zuerst und |289| dann ließen sie Li Mai und Decker eintreten. Sie standen im Allerheiligsten des Klosters, dem Meditationsraum.
»Niemand hier«, sagte Li Mai.
»Aber irgendwas muss hier sein. Warum sonst wäre Patrick so panisch weggerannt?«
»Wir haben das halbe Kloster jetzt abgesucht und nichts gefunden.«
Decker sah sich im Meditationsraum um. Er war voll mit den unterschiedlichsten Gegenständen. Eine wahre Ansammlung von Kunstschätzen.
Dann sah er die Statue.
Er ging darauf zu und betrachtete sie.
Ein Yamantaka. Das Kloster blieb den Ursprüngen treu.
Decker spürte intuitiv, dass sich noch viel mehr in dieser Statue verbarg, als das bloße Mysterium der Vereinigung. Viel mehr.
Aber dafür war jetzt keine Zeit.
Dann fiel ihm etwas auf. Auf dem Boden lag etwas und blinkte. Er hob es auf. Es war ein Mobiltelefon. Jemand musste es verloren
haben. Decker sah es an. Es trug den Schriftzug T-Mobile . »Ein Handy aus Deutschland. Vielleicht ...«
Er blätterte durch das Menü, sah sich die gespeicherten Namen an und fand, was er vermutet hatte, seinen Namen. »Das muss
Patricks Handy sein. Er war hier. Durchsucht den Raum«, sagte er zu den Soldaten.
Nach wenigen Minuten fanden sie die Geheimtür, und Decker drückte sie vorsichtig auf. Eine Treppe führte hinab. Dann hörten
sie die Geräusche. Die Soldaten legten den Zeigefinger auf die Lippen und übernahmen die Führung. Geräuschlos stieg die Gruppe
hinab. Unten angekommen, sahen sie eine uralte massive Tür. Die Stimme eines jungen Mädchens drang an ihr Ohr. Es war |290| ein seltsames Stöhnen an der Grenze zwischen Lust und Qual. Decker sah Li Mai mit Entsetzen an. Sie verzog keine Miene, sondern
gab den Soldaten Zeichen. Sie bezogen links und rechts von der Tür Stellung und untersuchten die Konstruktion. Dann befestigten
sie einen kleinen blinkenden Apparat am Türschloss und warteten auf Befehle. Decker gab ihnen zu verstehen, dass er einen
Spalt entdeckt hatte und hineinsehen wollte. Die Soldaten richteten die Waffen auf die Tür und gaben ihm ihr Okay.
Decker warf einen Blick durch die Tür.
Der Lama durchwanderte die verschiedenen Sphären, sein Geist erhob sich aus den Tiefen des irdischen Daseins in die Höhen
der Lehre. Das junge Mädchen bewegte sich mit gespreizten Beinen auf seinem hochaufgerichteten Glied auf und ab. Ihre Augen
waren verdreht und ihr Gesicht verriet keine Gefühle. Schritt für Schritt realisierte der Mönch so die Stufen der Einsicht.
Er kam dem Höhepunkt näher. An der Grenze zum Bewusstlosen, kurz bevor sich alles in der Unendlichkeit verlor, in diesem letzten
Moment, der allerletzten Stufe der Einsicht, schob der Lama seine Daikini von sich, zwang sie auf die Knie und entlud sich
in den Mund des Mädchens. In diesem heiligsten aller Augenblicke geschah das spirituelle Wunder: Im tantrischen Orgasmus wurde
er eins mit dem Kosmos. Raum und Zeit verloren ihre Bedeutung. Er realisierte die alten Schriften und erlangte die letzte
Weisheit. Die volle Erleuchtung im Diesseits. Die Illusion seines Egos löste sich auf. Dadurch erkannte der Geist des Lamas
sich selbst und erblickte das Elementarste der buddhistischen Lehre: Das Nichts. Der Lama schrie wie ein Löwe vor Lust und
Erfüllung.
|291| In dieser Sekunde zerriss eine Explosion den Raum, und die schwere Tür krachte aus ihren Angeln. Die zwei Soldaten stürmten
in die
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