Das Titanic-Attentat
der
Mesaba
beschriebene nord-südliche Ausdehnung von einem Breitengrad (111 Kilometer). Mit anderen Worten, die
Titanic
traf genau auf das, was nach den Eiswarnungen zu erwarten war – nämlich eine undurchdringliche Eisbarriere.
Im Eis
Nun wissen wir also, wo sich die
Titanic
wirklich befand. Gegen 23.00 Uhr Schiffszeit erreichte sie nicht irgendeinen Eisberg, sondern allmählich jene Zone, die sie die ganze Zeit konsequent angesteuert hatte, nämlich ein gewaltiges Eisfeld aus Treibeis, Eisbergen und -schollen. Berichten zufolge sahen die Männer im Ausguck auch nicht wenige Sekunden vor der Kollision plötzlich einen einzelnen Eisberg. Vielmehr hätten sie das vor der
Titanic
liegende Eis bei der Annäherung schon über längere Zeit wahrgenommen – genau so, wie man sich das eigentlich auch vorstellen muss.
In Wirklichkeit sei »der Eisberg« mindestens eine Viertelstunde vor dem angeblichen Zusammenprall gemeldet worden. Schon am 21. April 1912 schrieb die
New York Times:
»Seemann berichtet: Alarm des Ausgucks wurde ignoriert«. Demnach hatte der Erste-Klasse-Steward Thomas Whiteley nach dem Untergang der
Titanic
in einem der Rettungsboote eine Unterhaltung zwischen den beiden diensthabenden Ausguckwachen mitbekommen. Danach hatten die Leute im Ausguck das Eis eine geschlagene Viertelstunde vor dem Zusammenprall gesehen und die Brücke nicht einmal, sondern dreimal gewarnt: ohne Erfolg.
»Ich hörte einen von ihnen sagen«, berichtete Whiteley, »dass er 15 Minuten vor der Kollision den Ersten Offizier Mr. Murdoch auf der Brücke informiert hatte, dass er glaubte, einen Eisberg gesehen zu haben. Danach hat er Mr. Murdoch noch zweimal vor einem Eisberg voraus gewarnt, sagte der Ausguck. Ich kann mich nicht an die genauen Worte erinnern, aber sie waren sehr aufgebracht darüber, dass ihren Warnungen keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Einer von ihnen sagte: ›Kein Wunder, dass sich Mr. Murdoch erschossen hat.‹«
1993 entdeckte der Vizepräsident der amerikanischen
Titanic
Historical Society
( THS )
, George Behe, Indizien dafür, dass der Ausguck Frederick Fleet der Brücke sogar eine halbe Stunde »vor der Warnung, die dem Unglück direkt voranging, schon
dreimal
Eis gemeldet hatte – nur um von den diensthabenden Offizieren Murdoch und Moody ignoriert zu werden«. [110] Des Weiteren behauptete Behe, dass die White Star Line dem Ausguck Fleet »finanzielle Sicherheit angeboten habe, wenn er die früheren Warnungen bei den Untersuchungen verschwiege. Doch ob das alles stimmt? Denn wie wir wissen, ist es durchaus fraglich, ob in jener Nacht alle auf ihren Posten waren. So hatte der plötzlich verschwundene Zeuge Luis Klein berichtet, wie die Besatzung am Abend des 14. April betrunken gemacht worden war und wie er selbst in das Krähennest geklettert sei und die dortige Crew schlafend vorgefunden habe, woraufhin er selbst die Glocke geläutet habe. Bevor der Zeuge vernommen werden konnte, verschwand er Hals über Kopf aus seinem Hotelzimmer – oder war er etwa entführt worden? Bei den Untersuchungen wurde der Ausguck Fleet jedenfalls als unbeholfener und sehr defensiver, um nicht zu sagen paranoider Zeuge beschrieben, der offensichtlich unter starkem Stress (und dem Auge Ismays) stand.« [111] Ismay war der überlebende Vorsitzende der White Star Line.
Tatsächlich berichtete die
New York Times
schon am 21. April 1912, »wie die Lippen der
Titanic
-Besatzung vor der US -Untersuchung versiegelt wurden«. Nämlich, indem 25 davon auf dem White-Star-Schiff
Celtic
unter Quarantäne genommen und zum Schweigen verpflichtet wurden (siehe
Die Beeinflussung der Zeugen
).
Der mysteriöse Eisberg
Doch wie verhält es sich nun mit dem eigentlichen »tödlichen Eisberg«, der der
Titanic
den Todesstoß gegeben haben soll? Fragen wir doch am besten mal den überlebenden Ausguck Frederick Fleet, sagte man sich bei der amerikanischen Untersuchungskommission. Da er und sein Kollege Reginald Lee den Eisberg zuerst gesehen haben sollen, müsste er es doch am besten wissen.
Doch zu unserer Überraschung müssen wir erfahren, dass die
Titanic
in jener Nacht nicht nur von »Geisterschiffen« umgeben war (darauf komme ich noch), sondern zuallererst mit einem »mysteriösen Eisberg« konfrontiert wurde. Ganz anders als die Überlebenden in den Rettungsbooten am nächsten Morgen konnten die beiden Ausguckmatrosen den »tödlichen Eisberg« nicht konkret oder anschaulich beschreiben. Und das lag nicht an
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