Das Todeswrack
Grasfläche am Rand der Fahrbahn. Der schwirrende Rotor war noch nicht zum Stillstand gekommen, als Trout und Morales bereits ausstiegen. In der Nähe führte ein Pfad in den Wald.
»Der endet bei Professor Chis Haus. Wir müssen zu Fuß gehen.«
Trout machte sich eilig auf den Weg, während der kleinere Mann sich tapfer bemühte, mit ihm Schritt zu halten, ohne dabei seine Würde zu verlieren. Als sie in das dichte Unterholz vordrangen, bemerkte Trout die tiefen Fahrrinnen, die erst kürzlich durch schwere Reifen mit großem Radstand hervorgerufen worden waren. Morales sagte, er habe die örtliche
policia
verständigt und darum gebeten, dass man Erkundigungen einzog. Mehrere Einheimische erinnerten sich daran, Chi in einem Bus gesehen zuhaben. Er hatte sich auf dem Rückweg von einem Jagdausflug befunden und war in der Nähe seines Hauses am Straßenrand ausgestiegen. Es hieß, ein Jeep habe auf ihn gewartet. Das passte, dachte Trout. Gamay war mit einem Jeep von der Küste hergefahren.
»Kennen Sie Dr. Chi?«, fragte er Morales unterwegs.
»Si, senor.
Ich habe ihn schon öfter getroffen. Manchmal bittet mich das Museum, ihm eine Nachricht zu überbringen. Er ist
muy parifico.
Ein Gentleman. Er bietet mir immer Tortillas an.«
Unter dem Baldachin aus Blättern wurde es dunkel wie in einem U-Bahn-Tunnel.
Trout spähte zwischen den Ästen hindurch und versuchte, den Stand der Sonne auszumachen. Er fragte sich, ob es ihnen wohl schwer fallen würde, den Rückweg zu finden. Vielleicht hatte Morales Recht, und sie hätten besser bis zum Morgen warten sollen, wenn es heller war.
»Warum hat Professor Chi sein Labor hier mitten in der Wildnis?«, fragte Trout. »Wäre es nicht wesentlich günstiger für ihn, eine Stadt oder ein Dorf als Standort zu wählen?«
»Das habe ich den Doktor auch gefragt«, sagte Morales und grinste. »Er hat gesagt, er sei hier geboren worden. ›Hier sind meine Wurzeln‹, hat er mir erzählt. Verstehen Sie, was er damit meint?«
Trout verstand Chis Verbundenheit mit der heimatlichen Erde nur zu gut. Seine eigene Familie lebte seit mehr als zweihundert Jahren auf Cape Cod und hatte mehrere Generationen von Menschen hervorgebracht, die sich dem Meer verbunden fühlten, sei es als Leuchtturmwärter, Rettungsschwimmer oder Fischer. Das lang gestreckte, mit silbrigen Schindeln gedeckte Anwesen der Trouts war fast zwei Jahrhunderte alt, aber man hatte es im Lauf der Zeit stets instand gehalten, und so wirkte es, als wäre es erst gestern errichtet worden. Paul trug sein salziges Erbe mit Stolz, aber er wusste auch, dass seine Bindung an die Vergangenheit im Vergleich zur Geschichte der Maya bedeutungslos war, hatte jenes Volk doch schon viele Jahrhunderte vor Ankunft der Spanierin diesem Land gelebt.
Sie stapften ungefähr zwanzig Minuten lang mühsam voran, bis der Baumbestand dünner wurde und in eine Lichtung mündete. Das quadratische, aus Betonziegeln gemauerte Gebäude schien förmlich aus dem Dickicht zu springen, aber das lag vornehmlich an Trouts Wahrnehmung. Er hatte einfach nicht damit gerechnet, an diesem abgelegenen Ort solch ein solide wirkendes Bauwerk vorzufinden.
»Das Labor des Professors«, sagte Morales. Er ging hin und klopfte an die Tür. Keine Reaktion. »Wir kommen hierher zurück, nachdem wir das Haus überprüft haben«, schlug Morales vor.
Die Hütte mit dem Dach aus Palmblättern glich den Behausungen, die Trout aus der Luft hier in Yukatan immer wieder gesehen hatte. Weitaus mehr interessierte ihn jedoch der Jeep, der neben dem primitiven Gebäude abgestellt war. Paul rannte hinüber und durchsuchte das Fahrzeug. Hinter der Sonnenblende steckten eine Flasche Insektenschutzmittel und die Skizze, die den Weg zu Chis Grundstück beschrieb. Er fuhr mit den Fingern die Konturen des Lenkrads und des Armaturenbretts nach und roch den schwachen Duft der Körperlotion, die Gamay benutzte.
Dann durchstöberten sie das Haus, was dank der spärliche n Einrichtung nur etwa fünf Minuten dauerte. Trout stand in der Mitte des Raums und schaute sich um, weil er hoffte, beim ersten Mal irgendetwas übersehen zu haben.
»Tja, der Jeep verrät uns immerhin, dass sie es bis hierhin geschafft hat.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Morales. Trout folgte ihm hinter das Laborgebäude zu einer weiteren einfachen Behausung. »Das hier ist die Garage des Professors. Sehen Sie nur. Sein Wagen ist weg.«
»Das dürften dann wohl die Reifenspuren gewesen sein, die uns auf dem Hinweg
Weitere Kostenlose Bücher