Das Tor nach Andoran (German Edition)
stieg er gerade so hoch, um sie zu überfliegen und Julian konnte die staunenden Gesichter der Wachen auf den Wehrgängen erkennen.
In ihren Gesichtern spiegelte sich Verwunderung Angst aber auch Hoffnung wider. Als sie knapp über die Häuser hinwegflogen, sah er wie die Bewohner sich ängstlich in den engen Gassen zusammendrängten, oder in Panik gerieten und davon liefen. Riana sah es ebenfalls und machte sich Sorgen, Gallan hätte die Zeit nicht gereicht, um seine Leute zu unterrichten, dass von ihnen keine Gefahr ausging.
Im Dämmerlicht des beginnenden Morgens tauchte vor ihnen ein weitläufiger Platz mit einem Gebäude auf, das sich in der Form einer halben Kugel aus dem Boden erhob. Es schien Riana der geeignete Landeplatz zu sein, da er wie leer gefegt unter ihnen lag. Sie machte Kandralas darauf aufmerksam und der Mantikor ging in immer engeren Schleifen tiefer und landete vor der Versammlungshalle der Stadt.
Nachdem Gandulf und Julian von ihrem Mantikoren abstiegen, erhob sich dieser sofort wieder, um die Bewohner Itumas nicht unnötig zu beunruhigen, nur Kandralas blieb mit angelegten Flügeln neben Riana stehen. Er lieferte sich einen kurzen Disput mit ihr und war nicht zu bewegen aufzusteigen. »Ich versprach Mandelao und Granak auf dich achtzugeben, und ich halte es auch,« beharrte er darauf zu bleiben.
Wohin Riana auch sah, überall drängten sich Menschen an den Wänden der Häuser und in den Gassen, die auf den Platz führten, um einen Blick auf die Ankömmlinge zu werfen. Angespannt warteten sie darauf, was geschehen würde. Einige von ihnen hielten Speere und Bogen in der Hand, die sie auf die kleine Gruppe gerichtet hatten, aber sie wurden nicht angegriffen.
Riana sah sich nach Gallan um, der sicher von ihrer Landung erfahren haben musste. Ein solches Ereignis sprach sich wie ein Lauffeuer herum.
In eine der Gassen kam Bewegung in die Menschen und sie drängten sich so gut es ging auseinander, um Platz für den Mann zu machen, mit dem Riana vor wenigen Stunden Kontakt aufnahm. Begleitet wurde er von einem hochgewachsenen Mann, der lederne Beinkleider und eine aufwendig bestickte Jacke aus dem gleichen Material trug. In ihrer Mitte führten sie einen alten Mann, der sich auf einen Stab stützte.
Wenige Schritte vor Riana und ihren Gefährten blieben die drei Männer stehen und hoben die Hand zum Gruß. Riana sah Gallan nur ein einziges Mal, als er in Julians Welt kam und von Gandulf überwältigt wurde, aber sie erkannte ihn sofort wieder.
Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken, als sie daran dachte. * Was war während ihrer Abwesenheit zwischen Gallan und Kisho vorgefallen? * Ein Sucher, das wusste sie von ihrer Mutter war ein Leben lang an Kisho gebunden und nur der Tod löste diese Verbindung.
Den aristokratisch wirkenden Mann mit der bestickten Jacke kannte Riana nicht. Ebenso wenig den Alten, der sich auf seinen Stab stützte, aber sie fühlte die Ausstrahlung, die von ihm ausging. * War das der Schamane, von dem Gallan sprach und der ihr Kommen voraussagte? *
Riana sah in die Augen des alten Mannes und erschrak. Die Augen wurden von einer wächsernen weißen Schicht überzogen, die seinem von unzähligen Falten bedecktem Gesicht ein unheimliches Aussehen verliehen. * Der Schamane ist blind ,* dachte sie, da sprach er sie an. »Willkommen in Ituma Einhorn. Den Mann an meiner rechten Seite kennst du schon, es ist Gallan. Der Mann zu meiner Linken ist Sertan der oberste Rat unseres Volkes.«
Ein Raunen ging durch die Reihen der Zuschauer und sie fragten sich, ob der alte Mann noch richtig im Kopf war. Was faselte er von einem Einhorn, einem Wesen, das nur in der Fantasie der Kinder seinen Platz hatte?
»Ich bin Belgan der Schamane und Heiler,« fuhr er unbeirrt fort. »Wir freuen uns, dass dich deine Bestimmung zu uns geführt hat. Der Mann, den der Schamane Sertan nannte, hob die Hand zum Gruß und senkte leicht das Haupt dabei. Gallan tat es ihm gleich, wobei seine dunklen Augen das Mädchen mit den langen weißen Haaren ansahen. In ihnen spiegelte sich das Schuldgefühl wider, das er ihr gegenüber empfand. Einen kurzen Augenblick überfluteten die Bilder aus Gallans Geist den ihren, dann wurde ihre stumme Zwiesprache von Belgan unterbrochen. »Begeben wir uns ins Versammlungshaus, Gallan und das Einhorn haben sicher viel zu bereden.«
Von seinen Begleitern gestützt, betraten der Schamane und die anderen die Halle. Kandralas verharrte vor dem Eingang und sah zu wie
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