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Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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konnte Nigel sie sehen und Kraft daraus schöpfen, dass sie ihm nahe war und für ihn betete. Die Menge war erstaunlich ruhig. Für gewöhnlich wurden Hinrichtungen dazu genutzt, um sich zu verlustieren, zu trinken, Gauklern zuzusehen und den Alltag hinter sich zu lassen. An diesem Tag aber schickte sich der Henker an, einen Helden aufzuhängen und einen Wohltäter zu bestrafen, den das Volk verehrte.
    »Eana, meana, mona, moin
Copper, silver, golden coin
Hide your purse and be aware
Quickhands makes you’ money share
One, two, three, four, five, six, seven
Praise the lord and go to heaven.«
    Zwei Kinder sangen den stadtbekannten Abzählreim und klatschten die Hände aneinander.
    Catlin wurde die Kehle immer enger.
    Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge, dann gab es lautes Gelächter. Ein Karren, gezogen von einem Schwein, rumpelte auf den Richtplatz. Männer mit Gerten schlugen auf das quiekende Tier ein. Es war Nigel, der auf dem Karren in einem Käfig stand, die Hände mit einem Seil auf dem Rücken zusammengebunden. Bei jeder Bewegung torkelte er hin und her, woraufhin die Menge grölte und jubelte. Niemand schien sich mehr der Wohltaten zu erinnern, die Quickhands zu verdanken gewesen waren. Ein faules Ei flog, verpasste den Verurteilten und den Karren und zerschellte an einem der Männer, die das Schwein antrieben. Wieder lachte die aufgepeitschte Menge.
    Der Sheriff, wohlhabende Bürger, die von Quickhands bestohlen worden waren, Priester, Soldaten und schließlich der König mit einigen Männern folgten dem Karren.
    Als die Menge Henry erspähte, brach Jubel aus, schließlich sah man den König nicht allzu oft in London. Der merkwürdige Zug machte halt, als der Karren vor dem Galgen angekommen war. Der Henker stieg von dem Podest herab, auf dem er den Galgen am Vortag hatte errichten lassen, und zog den Gefangenen unsanft aus seinem Käfig. Er stieß ihn in den Straßenkot, doch die Begeisterung der Menge war abgeflaut.
    Catlin wagte kaum zu atmen, als der Henker Nigel auf das Podest hinaufzerrte und ihm den Strick um den Hals legte. Der König verkündete noch einmal öffentlich das Urteil, dann gab man dem Verurteilten Gelegenheit für ein letztes Wort.
    »Ich bereue zutiefst, Euch, mein König, bestohlen zu haben«, wandte sich Nigel an Henry, »und bitte Euch sowie alle anderen, die ich um ihre Börsen erleichtert habe, um Vergebung.«
    Der König und seine Männer nickten zufrieden.
    »Ich bereue jedoch nicht«, rief Nigel nun lauter, »jenen geholfen zu haben, die das Geld dringender benötigten! Jenen, die Hunger litten oder krank waren.«
    »Gut gemacht!«, rief eine Frau aus der Menge.
    Catlin kämpfte mit den Tränen, ließ Nigel aber nicht aus den Augen.
    Er erwiderte ihren Blick und lächelte. »Ich habe stets zu Gott gebetet«, fuhr er fort. »Ich bat ihn um Vergebung für meine Sünden und erflehte immer wieder ein Zeichen.« Er hielt inne. »Und ich bekam es!« Wieder ging ein ungläubiges Raunen durch die Menge der Schaulustigen. »Jedes Mal, wenn ich ein Zeichen erflehte, schickte der Herr mir einen unachtsamen Mann mit einer prall gefüllten Börse über den Weg.«
    Die Schaulustigen lachten und klatschten Beifall, einige pfiffen und johlten.
    Der König aber runzelte die Stirn. »Genug!«, rief er ärgerlich. »Das ist Blasphemie. Hängt ihn endlich auf!«
    Der Henker nickte und tat, was von ihm erwartet wurde. »Und hiev!«, rief er seinen Männern zu, drei kräftigen Burschen, die wenig Mühe hatten, Nigel am Seil in die Höhe zu ziehen.
    »Pater noster qui in coelis est …«, begann Catlin unwillkürlich zu beten.
    Die Frau neben ihr schloss sich an, ebenso das Paar mit den vielen Kindern, das hinter ihr stand. »Sanctificetur nomen tuum …« Die Stimmen wurden lauter, denn immer mehr Menschen sprachen das Vaterunser mit. Sie beteten für Nigel. Für ihren Wohltäter.
    Catlin sah, wie er zappelte und krampfte. Sie schloss die Augen und betete lauter, inbrünstiger. Dreimal ohne Unterlass wiederholten Hunderte von Mündern das Gebet aus tiefstem Herzen.
    Eisige Schauer liefen Catlin über den Rücken, als sie die Augen öffnete.
    Nigel hatte aufgehört zu kämpfen. Sein Kopf war auf die Brust gesunken, sein Körper erschlafft. Friedlich sah er aus, nicht so grässlich entstellt wie die Verbrecher, die einst die Schmiede überfallen hatten. Das war ein Trost, wenn auch ein geringer.
    Catlin schmiegte das Gesicht an Johns Oberarm, weinte bitterlich und war dankbar, als der

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