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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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mich am Leben zu halten natürlich.«
    Laurits schreibt immer öfter, dass sie sich schuldig fühlt. Eigentlich würde ich doch meinen, dass sie am wenigsten Grund dazu hat. Schuldig! Sie hat mich vor dem sicheren Tod gerettet und Bella und mich behütet und gepflegt, obwohl sie Bella nicht sehen konnte. »Wollen Bella und du einen Keks?«, hat sie gefragt. Oder: »Frieren du und Bella nicht ohne eure Jacken, was meinst du?« Bella fror nie, doch es kam vor, dass ich fror. Bella war insgesamt sehr viel widerstandsfähiger und mutiger als ich.
    »Du musst die Gespenster einfach ignorieren«, sagte sie zu mir, wenn ich in meinem Bett lag und Angst hatte, weil ich sie hoch über meinem Kopf hören konnte. Und wenn ich weinte, sagte sie: »Mach dir nichts draus, dass Mutter dich für talentlos hält, Nella! Vielleicht hat sie recht damit, dass du nicht gut genug schreibst, um Autorin zu werden, aber warum solltest du das auch? Sieh sie dir doch an! Sie sitzt die ganze Zeit in ihrem Zimmer und schreibt ihre dummen Bücher. Du solltest dich freuen, dass du nicht so bist.«
    Der Vorschlag, auf Simons Klavier zu spielen, kam auch eines Abends von Bella.
    »Aber was soll ich denn spielen?«, fragte ich sie. Sie sagte mir, dass das gleichgültig sei. Wenn ich nur alle Geräusche übertönte, sei es gut.
    Ich kann mich nicht genau daran erinnern, wann ich zu spielen begann, doch Laurits zufolge war ich achteinhalb. »Nella hat zweifellos Talent«, bemerkte sie mehrere Male. »Sehr viel mehr Talent als ihr unfähiger Vater. Ich habe es ihm gerade geschrieben. Dass das Mädchen Talent hat, und nicht dass er unfähig ist natürlich, aber er wird es wohl ohnehin nicht lesen. Warum sollte er auch? Er hat sich zweifellos mit seiner kleinen Karen Kvist längst eine neue Familie angeschafft, während die Reste seiner alten versuchen, hier zu Hause zurechtzukommen.«
    Bella und ich hatten keine Ahnung, wie sehr Laurits zu kämpfen hatte, um die Ruhe auf Liljenholm aufrechtzuerhalten. Wenn wir auf ihrem Bett saßen, wirkte sie so ruhig wie ein Fels in der Brandung. Wir saßen oft dort, denn Liljenholm flößte mir weiterhin Angst ein.
    »Du musst einfach etwas mehr spielen«, sagte Bella zu mir. »Vielleicht kannst du die Gespenster auf diese Weise zum Schweigen bringen, habe ich mir gedacht. Wenn du weitermachst, kann es sein, dass es wirkt.«
    Ich brauchte mehrere Jahre, wie viele erinnere ich mich nicht, doch eines Abends hörten wir etwas, Bella hörte es zuerst.
    »Hör einmal genau hin!«, sagte sie zu mir. »Die Gespenster summen die gleiche Melodie, die du gerade gespielt hast.«
    Es war eine Melodie, die ich selbst erfunden hatte, und ganz richtig, Bruchstücke davon kamen jetzt vom Speicher. Ein wenig falsch, aber nicht zu verwechseln.
    »Summen Gespenster?«, fragte ich Bella, die den Kopf schräg legte.
    »Das kann gut sein«, antwortete sie, »wenn sie wollen, können sie. Gespenster können alles, und ich glaube, sie mögen dich, Nella! Lausch! Jetzt summen sie wieder!«
    Ich habe das nie jemandem erzählt, nicht einmal Laurits, doch von da an hatte ich das Gefühl, dass zwischen den Gespenstern und mir eine besondere Verbindung bestand, eine Art Verständnis. Nicht wie zwischen Bella und mir natürlich. Sie war ja fast ich, bis sie langsam verschwand. Warum weiß ich nicht, und wann bin ich mir auch nicht sicher. Sie wurde nur immer undeutlicher und schließlich war sie nicht mehr da. Doch für die Gespenster im Turm spielte ich, wie ich mich fühlte, und sie antworteten mir summend. Manchmal war es ein wütendes Summen, andere Male leise oder tröstend oder einfach nur vollkommen falsch. Manchmal stöhnten die Gespenster auch, und wie Sie wissen, retteten ihre hohen, heiseren Schreie mich schließlich an jenem Tag am Selbstmordfenster. Die Schreie meiner Mutter. Ich bekam jedoch nie heraus, ob es ein Zufall war, dass sie gerade da von sich hören ließ, als ich es am allermeisten brauchte. Doch mir geht es am besten damit, das zu glauben. Dass es ein Zufall war, meine ich. Es ergibt für mich keinen Sinn, dass eine Frau, deretwegen ich all die Jahre Albträume gehabt habe, mich willentlich gerettet haben soll, auch wenn Agnes weiterhin behauptet, dass ich ihr etwas bedeutet habe.
    »Du warst schließlich ihre Tochter «, sagt sie immer wieder. »Es ist doch klar, dass sie all die Jahre an deinem Leben teilgenommen hat, so gut sie das eben konnte.«
    »Wieso klar?«
    »Mein Gott, sie hat dich doch vermisst.«
    Und Agnes,

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