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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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in ihren Füßen nach. Eine Tatsache. Sie sprang über ein paar Kanaldeckel und hob die Hand zum Gruß, als ein schwarz gekleideter Mann zur Seite trat, um sie vorbeizulassen. Sie hörte seine platschenden Schritte hinter sich.
    »Entschuldigung?«
    Nella kannte die Männer und ihr »Entschuldigung« gut genug, um zu wissen, dass sie nur selten nach dem Weg zum nächsten Bäcker fragen wollten, vor allem nicht um diese Tageszeit. Sie hielt die Schlüssel in der geschlossenen Faust und ging am Nachbarhaus vorbei, das wie üblich ganz dunkel war. Ihre Haustür hätte einen neuen Anstrich vertragen können, und was das anging, passte sie ausgezeichnet zu ihrem Leben, dachte sie, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte.
    »Bitte bleiben Sie doch einmal stehen, Fräulein!«
    Sein schneller Atem berührte ihr linkes Ohr, und sie wollte ihm gerade die Tür vor der Nase zuknallen, als sein Fuß sich dazwischenschob.
    »Sie sind nicht zufällig Nella von Liljenholm?«
    Es war zehn Jahre her, dass Nella zum letzten Mal Nella von Liljenholm gewesen war. Alles, womit der Name behaftet war, hatte sie hinter sich lassen wollen. Trotzdem drehte sie sich sofort um. Was sie ruhig ein wenig früher hätte tun können, wie sie feststellte, denn der Mann trug eine Postbotenuniform.
    »An der Tür steht Holm, doch die Adresse stimmt, deshalb habe ich gedacht, dass Sie das sein könnten.«
    Seine Augenbrauen schnellten in die Höhe.
    »Sind Sie immer so unwirsch, Fräulein?«
    Das Häufchen Elend, das noch von ihr übrig war, fauchte, dass ihn das wohl kaum etwas anginge, doch er öffnete nur seine Tasche und sah plötzlich sehr traurig aus.
    »Ich habe ein Telegramm für Sie.«
    »Das kann ich nur schwer glauben.«
    Nella hatte jahrelang kein Telegramm bekommen, doch der Postbote suchte weiter in seiner Tasche. »Das müssen Sie auch nicht glauben, das ist so«, sagte er und reichte ihr ein Telegramm. Nella versuchte, sich auf eine souveräne Weise zu bedanken. Ein wenig wie wenn einer ihrer Schüler lange geübt und trotzdem falsch gespielt hatte. Doch der Postbote sah nur noch trauriger aus.
    »Sie haben wirklich Glück gehabt, dass ich Sie gefunden habe«, sagte er und machte eine unmotivierte Kopfbewegung. »Ansonsten hätten Sie Ihr Telegramm vielleicht zu spät erhalten.«
    »Ach, das glaube ich nicht.«
    »Doch, das befürchte ich.«
    Sie wollte ihm gerade antworten, dass er wirklich so klug sei, dass er auch gut ohne Kopf auskommen könne, als ihr Blick das Formular streifte und ihre Augen an den Worten hängenblieben. Sie las sie viele Male. Doch die Worte blieben dieselben.
    Antonia von Liljenholm liegt im Sterben und möchte Sie sehen STOPP Beeilen Sie sich STOPP Ein Freund
    »Wer in aller Welt ist Ein Freund ?«
    Entweder hatte der Postbote keine Wimpern, oder sie waren ganz weiß. Seine Augen blickten jedoch seltsam starr, und jetzt blinzelten sie.
    »Das weiß ich nun wirklich nicht«, antwortete er und hob die Hand zum Abschied. »Ich bin schließlich kein Hellseher, nicht wahr, Fräulein? Ich trage nur Telegramme aus.«
    »Aber …«
    »Auf Wiedersehen, Nella von Liljenholm. Ich hoffe, Sie kommen noch rechtzeitig zu Ihrer Bekannten.«
    Die beiden Sekunden, in denen er das Wort Bekannten in die Länge zog, reichten aus, es wie eine Frage klingen zu lassen. Aber er war bereits im Regen verschwunden, der genau in diesem Moment stärker wurde. Doch damit hielt Nella sich nicht lange auf. Selbst wenn im übrigen Kopenhagen die Sonne schien, hing merkwürdigerweise immer ein riesiger Pilz von einer Wolke über ihrem Haus. Nur stand normalerweise kein Postbote vor ihrer Haustür, der sie anstarrte. Jedes Mal, wenn sie blinzelte, waren seine Augen schwarze Flecken auf ihrer Netzhaut, und auf dem Weg die Treppe zu ihrer kleinen Dachwohnung hinauf knüllte sie das Telegramm zu einer winzig kleinen Kugel zusammen.
    Jahrelang hatten Nellas Abende sich so sehr geglichen, dass sie sich kaum voneinander unterschieden, doch an diesem Abend sah selbst ihre eiskalte Wohnung anders aus. Kleiner und dunkler mit den wenigen Habseligkeiten, die die Wände säumten. Sie ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen und machte sich Antonias baldigen Tod bewusst, betrachtete ihn von allen Seiten und verstand nicht, warum er sie so überraschte. Der Tod ereilte uns schließlich alle, das hatte sie die Zeit auf Liljenholm doch gerade gelehrt. Aber Antonia war im wortwörtlichen Sinn nicht einfach ein Mensch, der starb. Sie war der Mensch, der

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