Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York
wife vor, manche von ihnen laden uns zum Lunch oder Dinner zu sich ein, und alle lachen über unsere Namen, weil sie finden, daß Peter and Barbara so uramerikanisch klingt, als seien wir ein richtiges WASP-Paar aus der guten Gegend, dessen Vorfahren mit der Mayflower gelandet sind.
Eine der Kolleginnen, eine Deutsche, bei der wir zum Dinner eingeladen sind, erzählt uns, daß sie ihre Green-Card tatsächlich bei der Lotterie gewonnen habe. Jedes Jahr werden 50000 davon verlost; die Gewinnchance, erklärt sie uns, sei 17 zu 120, also sehr viel höher als die Chance, den Hauptgewinn bei einer normalen Lotterie zu erhaschen. Sie wohnt drüben in New Jersey, wir haben denPATH, den Port Authority Trans Hudson Train , genommen, der durch den Holland Tunnel unter dem Hudson fährt und viel moderner als die Subway ist, und sehen aus ihrem Fenster, vom Kontinent aus, auf Manhattan hinüber. Wieder schiebt sich ein Schiff, so groß wie ein zehnstöckiges Haus, den Hudson hinunter. Das kann doch nicht schon wieder die Queen Mary 2 sein.
Wenn wir von unseren Besuchen in meine Residenz zurückkehren, ist es nun schon wie Nach-Hause-Kommen, der Doorman grüßt mich als vertraute Ein- und Ausgänge- rin, wir tauschen einen Blick des Einverständnisses über Iowa, Peter bekommt ein extra good evening, Sir, und ich verstehe eigentlich nicht, wieso Céline in New York die Concièrgen vermißte, deren Rolle hier die Doormans spielen, wenn sie dazu auch statt aus der Loge hinter ihrem frontdesk agieren. Im Gegensatz zur Concièrge wechseln sie sich ab, mal sind es Schwarze, mal Kroaten, und sie tragen Phantasieuniformen, die nicht zuviel Uniform, aber auch nicht zu viel Phantasie ausdrücken.
Unsere provisorische Geborgenheit im Turm, die gewisse Vertrautheit, die sich auch bei Peter nach wenigen Tagen eingestellt hat, die kurze freie Bindung an die Stadt machen uns ganz glücklich, ja euphorisch – falls das nicht die Wirkung besagter Strömungen und Strahlungen oder anderer geophysikalischer oder metaphysischer Phänomene der Stadt sein sollte, die Peter leider auch nicht erklärenkann. Wir fühlen uns in einem seltenen Zustand der Ausgeglichenheit. Sonst ist einem im Leben doch immer alles entweder zu viel oder zu wenig, zu schwer oder zu leicht. Zu viel Aufregung und zu viel Anstrengung und zu wenig Ruhe. Oder zu viel Ruhe und zu wenig Anregung. Die Geborgenheit ähnelt schnell der Gefangenschaft, aber die Freiheit wird meist teuer erkauft. Die Ungebundenheit stürzt so leicht in Haltlosigkeit ab. Jetzt aber scheint einmal alles im rechten Maß zu sein, sogar mit einer geringen Neigung zum Leichten. Denn wenn wir auch schon begriffen haben und uns auf unseren Wegen ständig gegenseitig aufzählen, wie unverständlich und unerschöpflich diese Stadt ist, bindet sie uns für ein paar Wochen, ohne uns etwas abzufordern. Nein, sie beschenkt uns und will gar nichts dafür wiederhaben, und schon gar nicht verlangt sie etwa, versteht mich doch!
Moni aus Karlshorst
Die New York Times sagt, daß die Kälte sogar für New York ungewöhnlich ist. Und die Wetterberichte aller Sender sagen es auch. Null Grad Fahrenheit, das sind Minus 18 Grad Celsius. Ich muß zwei Paar Strumpfhosen übereinander anziehen und mehrere Pullover und laufe etwas schwerfällig herum. Alle echten New Yorker aber sind comme il faut angezogen. Nachlässig, tipptopp, exzentrisch, elegant – aber genau die richtigen Jacken, Mäntel, Stiefel, Mützen!
Wegen Kälte und Schnee befürchteten Kathrin und Kathrina, daß niemand zu meiner Lesung ins Deutsche Haus kommen wird. Sanda befürchtet es auch, sie war am Abend zuvor in einem Club, wo sehr bekannte Musiker aufgetreten sind, und da waren sie ziemlich unter sich geblieben, so gut wie kein Mensch sei gekommen, gesteht sie mir vorsichtig. Sie kann allerdings auch nicht zu meiner Lesung kommen, weil sie zu einem sehr wichtigen Konzert gehen muß. Klar.
Die Befürchtungen erfüllen sich nicht, der Abend ist »ausverkauft«, und einige Leute müssen sogar stehen. Kathrin und Kathrina sind erleichtert, denn sie wollen ja die deutsche Kultur und Literatur in Amerika verbreiten. Ich bin noch ein bißchen euphorischer, als ich es schon die ganze Zeit bin, denn ich lese zum ersten Mal aus demManuskript, an dem ich noch bis zum Vormittag an dem klapprigen Laptop gearbeitet habe. Dennis hat wieder gelacht, als ich ihn fragte, ob ich für die Lesung meine Diskette an seinem Computer ausdrucken könne. O Gott, sagte er, das
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