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Das Ultimatum - Thriller

Das Ultimatum - Thriller

Titel: Das Ultimatum - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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das mehr seiner Krankheit zuzuschreiben war oder der Stimmung im Park View Restaurant, die sich seit der Exekution der Geisel zusehends verschlechtert hatte.
    Vor zehn Minuten hatte er von unten Schüsse und Detonationen gehört. Der größere der beiden Terroristen, den man, so glaubte Martin verstanden zu haben, Dragon nannte, hatte ihnen zuvor schon gesagt, dass es eine Schießerei geben würde, die Situation aber unter Kontrolle sei.
    Doch so ganz schien das nicht zu stimmen, denn beide Bewacher waren inzwischen aufgesprungen, und ihre Körpersprache signalisierte überdeutlich ihre gewaltige Anspannung. Sie hielten ihre Waffen ständig auf die Geiseln gerichtet und drohten zu schießen, sobald eine nur ihre Lage am Boden veränderte. Dragon hatte den Fuß permanent auf dem Auslöser und tauschte mit dem hinkenden Skandinavier andauernd nervöse Blicke aus. Beide sahen alle Augenblicke auf die Uhr, als würden sie auf etwas warten.
    Ihr merkwürdiges Verhalten und die allgemeine Ungewissheit erfassten auch die Geiseln, die mehr und mehr in Panik gerieten. Besonders ein weißhaariger Geschäftsmann, der unweit von Martin lag und die sechzig bereits überschritten hatte, hatte seit ein paar Minuten große Schwierigkeiten zu atmen, und es sah aus, als könne er jeden Moment einen Nervenzusammenbruch erleiden. Die anderen ignorierten ihn, manche hatten sich sogar sichtbar abgewandt, wie Tiere in der Wildnis, die die Schwäche eines ihrer Artgenossen spüren, ihn absondern und den Raubtieren überlassen. Martin sah ihn zwar aufmunternd an, doch der Mann nahm ihn entweder nicht mehr wahr, oder er traute sich nicht, seinen Blick zu erwidern.
    Merkwürdigerweise hatte Martin inzwischen weniger Angst als zu Beginn des Dramas. Oder vielleicht war es auch gar nicht so merkwürdig. Vielleicht weil er vorhin dem Tod so nahegekommen war und gespürt hatte, dass er bereit für ihn war, sodass es nicht mehr viel gab, womit sie ihm drohen konnten. Zudem hatte es etwas Tröstliches, in einer Gruppe geborgen zu sein statt herausgefischt und allein. Er fragte sich, was die Bomben und Schüsse unten zu bedeuten hatten. Zunächst hatte er vermutet, es handle sich um einen Angriff des SAS, ähnlich der Erstürmung der US-Botschaft im Iran. Doch das ergab keinen Sinn, denn die beiden Terroristen hatten vorher gewusst, was passieren würde.
    Martin fing Elenas Blick auf und erwiderte ihn auf dieselbe mitfühlende Weise, wie sie sich schon den ganzen Abend angesehen hatten. Dennoch hatte sich etwas zwischen ihnen verändert. Elena wirkte befangen, vielleicht sogar beschämt, er nahm an, weil sie nicht eingeschritten war, als der Skandinavier gedroht hatte, ihn zu erschießen. Nicht, dass er ihr einen Vorwurf machte. Letztlich hätte sie nichts ausrichten können. Er hätte es ihr gerne erklärt, wusste aber nicht, wie er das anstellen sollte, ohne dass sie glaubte, er würde es ihr vorwerfen. Und überhaupt. Seit der Ermordung der Geisel nahmen alle die Warnung ernst, unter keinen Umständen miteinander zu reden. Keiner wollte der Nächste sein, den die Terroristen exekutierten.
    Ein paar Schritte weiter wurde der Atem des Geschäftsmannes lauter und schwerer. Er saß nun nach vorne gebeugt da, eine Hand aufs Herz gepresst, mit der anderen wischte er sich unablässig den Schweiß von der Stirn. Es ging ihm sichtlich schlecht, und Martin hätte ihm gerne geholfen. Zu viele Menschen waren heute schon einen sinnlosen Tod gestorben.
    Elena sah wieder zu ihm herüber, betroffen, aber hilflos. Sie hätte ebenfalls gerne geholfen. Martin konnte es sehen. Doch sie würde nichts unternehmen. Niemand würde etwas unternehmen.
    Plötzlich überkam ihn eine furchtbare Wut, nicht nur auf die Terroristen, sondern auch auf sich selbst. Er mochte unbewaffnet sein, körperlich schwach und unheimlich durstig, aber er hatte gegenüber den anderen Geiseln einen enormen Vorteil. Er hatte nichts mehr, wofür er leben konnte. Er war praktisch ein toter Mann. Sein Körper hatte es nur noch nicht realisiert.
    In diesem Moment stöhnte der Geschäftsmann vor Schmerz laut auf, griff sich mit beiden Händen an die Brust und fiel vornüber. Er hyperventilierte, und niemand regte sich.
    Martin wollte wenigstens einmal im Leben für etwas eingestanden sein, das zählte.
    »Dieser Mann braucht dringend Hilfe!«, schrie er die beiden Terroristen an, die herübersahen, aber keine Anstalten machten einzugreifen.
    »Bitte, Sie müssen ihm helfen.«
    »Lass mal, der wird

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