Das Ultimatum - Thriller
sie immer noch starke Schmerzen haben musste, war zumindest die Blutung gestoppt, und ihr Zustand schien sich etwas stabilisiert zu haben.
»Wann kommt die Polizei?«, fragte Ethan zum wohl hundertsten Mal.
Scope konnte nachfühlen, wie es ihm ging. Quälend langsam verrannen die Minuten, es war deprimierend. »Sie kommen so schnell sie können«, erwiderte er. »Sie müssen nur rausfinden, wo die Gangster sind, dann retten sie uns.«
»Die müssen sich beeilen. Mama ist wirklich sehr krank.«
Ethan war blass und angespannt. Er nahm ihre Hand und versuchte sie aufzuwecken.
»Nicht, Ethan«, sagte er sanft. »Lass sie schlafen.«
Ethan sah ihn fragend an. »Sie kann aber nicht sterben, oder? Das kann sie nicht.«
»Nein, Ethan, das wird sie auch nicht.«
»Ich wünschte, mein Dad wäre hier.«
»Wo ist er?«
»Er ist weggezogen. Letztes Jahr.«
»Siehst du ihn noch ab und zu?«
Ethan schüttelte den Kopf.
»Nein. Mama sagt, er hat mich lieb, aber er ist so beschäftigt. Sie meint, wenn er weniger zu tun hat, kommt er mich besuchen. Manchmal ruft er mich an.«
»Ich bin sicher, er vermisst dich.«
»Ich vermisse ihn.«
Scope wünschte sich, er hätte seine eigene Tochter häufiger gesehen, als er noch gekonnt hatte. Aber wie Ethans Vater hatte auch er seine Familie verlassen, und seitdem fragte er sich, ob wohl alles anders gekommen wäre, wenn sie zusammengeblieben wären. Er erinnerte sich an die zweijährige Mary Ann, wie sie auf wackligen Beinen durch den Garten hinterm Haus gerannt war, während er und Jennifer mit dem breiten, glückstrunkenen Grinsen junger Eltern dem kleinen Wesen, das sie hervorgebracht hatten, zusahen.
»Geht’s dir gut?«, fragte Ethan.
Scope lächelte ihn an.
»Ja, mir geht’s gut. Ich hab nur nachgedacht.«
»Worüber?«
Einen Moment lang überlegte Scope, ob er es ihm sagen sollte. Es war fast, als wollte er sich etwas von der Seele reden, und das verblüffte ihn selbst. Er war nie jemand gewesen, der viele Worte machte.
Doch dann sagte er: »Ach nichts, dies und jenes.«
Sie schwiegen beide.
»Opa hat uns hierher mitgenommen. Als Belohnung. Ich war noch nie in London. Und ich will auch nie wieder hin. Niemals.«
»Wo kommst du her?«
»Aus Amerika.«
»Das hab ich mir fast gedacht. Von wo in Amerika?«
»Florida.« Ethan sah wieder zu Scope auf. Diesmal waren seine Gesichtszüge entspannter. »In der Nähe von Disneyworld. Warst du schon mal in Disneyworld?«
»Nein, leider nicht.«
»Wo bist du her? Du hast so einen komischen Akzent.«
»Aus einer Stadt, die Manchester heißt. Und mein Akzent ist nicht komisch.«
»Was machst du hier?«
Scope musste an die drei Männer in der obersten Etage denken.
»Freunde besuchen.«
Ethan sagte einen Moment lang nichts, er dachte angestrengt nach.
»Warum töten diese Leute?«, fragte er schließlich. »Sie haben Opa getötet. Und der Mann mit der Maske wollte auch meine Mama und mich töten. Warum?«
»Manche Leute wollen einfach anderen Menschen wehtun. Einfach so. Es sind nicht viele, aber ihr hattet heute das Pech, welchen zu begegnen.«
Ethans Augen blitzten. »Ich bin froh, dass du sie umgebracht hast«, sagte er trotzig.
Scope nickte. Er auch.
»Bist du ein Polizist?«
»Nein.«
»Soldat?«
»Du stellst eine Menge Fragen.«
»Ich glaube, du bist Soldat«, sagte Ethan altklug. »Danke, dass du uns geholfen hast.«
Scope zuckte mit den Schultern. »Man kann Leute in Not nicht im Stich lassen.«
Doch selbst als er es aussprach, glaubte er nicht richtig daran. Abby und Ethan zu helfen hatte ihm bereits eine Menge Ärger eingehandelt. Wie viel genau, würde er erst wissen, wenn sie draußen waren. Wenn sie überhaupt rauskamen.
Plötzlich weckte etwas im Fernsehen Scopes Aufmerksamkeit. Die Kamera war von einem Reporter zum Vordereingang des Hotels geschwenkt. Die linke Tür öffnete sich, und ein maskierter Terrorist, der einen militärischen Overall trug, geleitete eine Gruppe Kinder hinaus. Dann verzog der Terrorist sich wieder nach drinnen, schloss die Tür ab und ließ die Kinder draußen stehen. Sie hielten einander an den Händen und wirkten verwirrt.
Als die Kamera ein Stück weiterschwenkte, konnte Scope zwei bewaffnete Polizisten erkennen sowie zwei Notärzte, die herbeieilten und die Kinder wegführten. Die Kamera folgte ihnen, bis sie hinter dem Kordon von einem Getümmel aus Sanitätern und Ärzten verschluckt wurden.
»Was ist da los?«, fragte Ethan, der die Szene ebenfalls
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