Das Ultimatum - Thriller
ausbreitete.
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19:18
Arley Dale stand in der kalten Abendluft des Hydepark und versuchte, den Anruf, den sie eben erhalten hatte, zu verdauen. Binnen einer Minute hatte ihr Leben sich in einen Albtraum verwandelt, aus dem es kein Entkommen zu geben schien.
Falls sie dem Mann, der ihre Kinder in seiner Gewalt hatte, Details und Zeitpunkt des SAS-Eingreifens mitteilte, würde sie die Soldaten verraten und einige von ihnen vermutlich sogar in den Tod schicken. Sie würde Hochverrat begehen, ohne Wenn und Aber. Und es würde höchstwahrscheinlich ans Licht kommen, was das Ende nicht nur ihrer Karriere zur Folge hätte, sondern auch ihres bisherigen Lebens und ihrer Freiheit. Selbst wenn der Richter die extremen Umstände in Betracht ziehen würde, müsste sie die nächsten zehn Jahre hinter Gittern verbringen.
Falls sie aber nicht tat, was der Anrufer verlangte, was dann? Natürlich gab es die Möglichkeit, dass ihre Vorgesetzten, so sie sich ihnen offenbarte, versuchten, den Deckel draufzuhalten und alle verfügbaren Kräfte der Met dazu einsetzten, Howard und die Kinder zu finden. Doch ihre Familie konnte überall festgehalten werden. Die Chancen, sie rechtzeitig aufzuspüren, gingen gegen null. Arley wusste nur eines mit Sicherheit, nämlich dass diese Leute bestens organisiert und völlig skrupellos waren. Sie hatten Bomben an von Zivilisten frequentierten Orten detonieren lassen, hatten auch im Stanhope Zivilisten niedergeschossen, sogar ihr Au-pair-Mädchen Magda ermordet und die Kinder gezwungen, sich neben der Leiche in Positur zu legen. Alles wies darauf hin, dass sie dasselbe mit Howard, Oliver und India tun würden, wenn sie es für notwendig oder nützlich erachteten. Und sobald sie merkten, dass sie ihnen falsche Angaben gemacht hatte, die sie würde machen müssen, wenn sie sich Commissioner Phillips offenbarte, würden sie Vergeltung üben.
Andererseits, auch wenn sie kooperierte, gab es keine Garantie, dass ihre Liebsten freigelassen würden. Tatsächlich wäre es für die Terroristen weitaus einfacher, sie zu ermorden und vielleicht sogar irgendwo zu verscharren, wo man sie nie finden würde.
Sie wollte nicht wahrhaben, was ihr widerfuhr. Es erschien ihr surreal. Wie um alles in der Welt hatten sie ihre Familie überwältigen können? Woher wussten sie, dass sie bei der Operation eine leitende Funktion einnehmen würde? Das hing doch letztlich nur davon ab, wer gerade Dienst hatte, wenn ein solches Ereignis eintrat. Aber sie hatten es gewusst. Genauso, wie sie offenbar wussten, dass der SAS irgendwann im Laufe der Nacht das Hotel stürmen würde.
Arley war körperlich übel, dennoch zündete sie sich mit zittrigen Fingern eine zweite Zigarette an und schaute zur Einsatzzentrale hinüber. Sie würde bald zurückgehen und so tun müssen, als wäre nichts geschehen. Und eine gewaltige und nervenaufreibende Operation koordinieren, die keinen Raum für Fehlentscheidungen ließ.
Sie stellte sich Oliver und India vor. Würde sie weiterleben können, wenn die beiden starben? Und Howard? Natürlich liebte sie auch ihn, aber nicht auf dieselbe mütterlich verzweifelte Weise wie ihre Kinder.
Sie sog heftig an ihrer Zigarette. Wog ihre Optionen ab.
Welche verdammten Optionen?
Es sei denn …
Sie betrachtete das Handy, das sie immer noch in der Hand hielt. Eine Person gab es, die ihr vielleicht helfen könnte, eine Person, der sie glaubte, auch ihr dunkelstes Geheimnis anvertrauen zu können.
Es war eine harte Entscheidung, aber Arley scrollte durch ihr Adressbuch, bis sie die Nummer fand, nach der sie gesucht hatte. Das Risiko war es wert, eingegangen zu werden.
Letztendlich würde sie jeden ausliefern, zerstören und vernichten, wenn es ihr dadurch gelang, ihre Kinder zu retten.
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Tina Boyd war nie eine gewöhnliche Polizistin gewesen. Ihre gesamte Karriere über hatte sie immer wieder Kopf und Kragen riskiert, war angeschossen und entführt worden und in Fälle verstrickt gewesen, die zur Ermordung zweier Kollegen führten, von denen einer sogar ihr Verlobter war. Beide Male hatte sie den Mörder selbst zur Strecke gebracht, und entweder war es als tödlicher Unfall deklariert worden, oder es hatte nie jemand davon erfahren – aber beide Mörder hatten bekommen, was sie ihrer Meinung nach verdient hatten. Auch in der Wahl ihrer Mittel kannte sie, wenn es sein musste, wenig Skrupel. Sie hatte Verdächtigen belastende Indizien untergeschoben, hatte einige von ihnen tätlich angegriffen und war
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