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Das Ultimatum - Thriller

Das Ultimatum - Thriller

Titel: Das Ultimatum - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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zu werden.
    Doch mit jeder Minute, in der die Situation sich verschärfte, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass sein Geheimnis ans Licht kam. Erstaunlicherweise hatte er davor mehr Angst, als von den Terroristen gefunden und als Geisel genommen zu werden. Er war überzeugt, dass Victor recht hatte mit seinem Vorschlag, im Zimmer auszuharren, aber er konnte sich ausmalen, dass solche Geiselnahmen sich schier endlos hinzogen. Manchmal sogar tagelang. Er hatte einmal von einem Fall in Hackney gelesen, der drei volle Wochen gedauert hatte. Das würde er nicht ertragen. Er musste raus. Irgendwie abhauen.
    Victor hatte ihm gesagt, er solle nicht so dumm sein und ohne Grund sein Leben aufs Spiel setzen.
    »Schick ihr einfach eine SMS«, riet er. »Sag ihr, du würdest im Zug festsitzen.«
    Doch als er das versuchte, bekam er seine Nachricht zurück. Nachdem er es alle fünf Minuten mit demselben Ergebnis erneut probiert hatte, realisierte er irgendwann, dass die Verbindung nach draußen unterbrochen worden war. Damit blieb ihm nur das Hoteltelefon, und wenn er das benutzte, würde er flüstern müssen, und seine Frau würde ihm den Stress anmerken. Außerdem verstand Carol durchaus etwas von Technik und wäre in der Lage herauszufinden, von wo aus er anrief.
    Aus all diesen Gründen stand Graham nun allein in der Lobby, nachdem er sich die fünf Stockwerke über die Nottreppe hinuntergeschlichen hatte. Es waren die schrecklichsten Minuten seines Lebens gewesen, und Victor hatte ihn inständig angefleht, es nicht zu versuchen.
    »Ich will dich nicht verlieren«, hatte er unter Tränen geflüstert und sogar versucht, Graham mit körperlicher Gewalt davon abzuhalten, das Hotelzimmer zu verlassen, doch Graham hatte nur gesagt: »Mir passiert schon nichts. Ich verspreche es dir.« Dann hatte er sich aus der Umklammerung losgerissen und war ohne große Verabschiedungsworte aus dem Zimmer geschlüpft, in der Hoffnung, noch irgendeine Erklärung zu finden, die er Carol für sein spätes Nachhausekommen auftischen konnte.
    Er hielt sich geduckt in der Deckung der Haupttreppe, sah zu den Eingangstüren des Hotels hinüber und fragte sich, ob die Terroristen sie wohl bewachten. Er konnte niemanden entdecken, aber das hieß nicht unbedingt, dass auch keiner da war. Eine der Glastüren wies dicke Sprünge auf, als hätte jemand hindurchgeschossen.
    Dreißig Meter trennten ihn von der Freiheit, und die lastende Stille flößte ihm genug Vertrauen ein, dass niemand seinen Spurt nach draußen aufhalten würde. Doch da gab es noch ein weiteres Problem: Ganz sicher würde Carol die Ereignisse im Fernsehen verfolgen. Seit sie Anfang des Jahres arbeitslos geworden war, war sie ein regelrechter Nachrichtenjunkie geworden und hatte aus unerfindlichen Gründen eine geradezu krankhafte Vorliebe für den arabischen Sender Al-Jazeera entwickelt. Wenn er das Hotel durch den Vorderausgang verließ, war es deshalb gut möglich, dass sie ihn auf dem Bildschirm entdeckte. Und selbst wenn nicht, würde ihn irgendjemand erkennen, und sein Geheimnis wäre keines mehr. Unter den gegebenen Verhältnissen mochte es vielleicht dumm sein, sich darüber Sorgen zu machen, aber er konnte einfach nicht anders. Sein ganzes Leben baute auf einer Lüge auf, und wenn die aufflog, würde ihm die Welt um die Ohren fliegen. Und lieber wollte er sterben, als sich dem auszusetzen.
    Nein, er würde den Hinterausgang nehmen. Das war vermutlich sowieso viel einfacher. Hinter dem Stanhope, wusste er, verlief ein Gewirr kleiner undschmaler Straßen, in die sich bestimmt keine Fernsehkameras verirrt hatten. Wahrscheinlich war das sogar verboten worden. Er konnte hinausschlüpfen, ohne gesehen zu werden. Zumindest nicht von einer breiten Öffentlichkeit. Dann brauchte er nur noch Carol anzurufen, sich zu entschuldigen und den in der Tat jämmerlichen Zustand des britischen Eisenbahnwesens zu beklagen, und er wäre aus dem Schneider. Die schrecklichen Ereignisse des Abends würden für immer sein und Victors Geheimnis bleiben.
    Von irgendwo oben auf der Treppe glaubte er ein Stöhnen zu vernehmen. Dem folgte fast sofort ein wütend gebellter Befehl, den Graham aber nicht verstand. Schnell wandte er sich um und rannte zu der Tür mit der Aufschrift »PERSONAL – ZUTRITT VERBOTEN«.
    Sobald er den Servicebereich betreten hatte, schlug ihm ein widerlicher Gestank entgegen. Er hielt den Atem an und schlich einen düsteren Flur hinunter, durchquerte eine weitere Tür und gelangte in die

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