Das Ultimatum - Thriller
entstand eine Pause.
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte der Mann schließlich. Dann war die Verbindung tot.
Arley wandte sich um und wäre fast gestorben vor Schreck: John Cheney stand direkt hinter ihr. Sie fragte sich sofort, ob er etwas mitbekommen hatte.
Doch dem schien nicht so.
»Alles okay, Arley?«, fragte er und benutzte zum ersten Mal an diesem Abend ihren Vornamen.
Sie sah ihn lange an, versuchte ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden und fragte sich, ob sie ihm alles erzählen sollte. Er hatte immer eine Aura von Verlässlichkeit und Loyalität verbreitet, wahrscheinlich wegen seiner Statur und des intensiven Leuchtens seiner Augen, die ihn sensibel wirken ließen. Fast hätte sie etwas gesagt, da fiel ihr ein, dass ihn all das nicht daran gehindert hatte, sie zu betrügen. Es war einfach zu riskant, so jemandem ihr Geheimnis anzuvertrauen.
»Danke, John, alles bestens.«
»Du scheinst ständig rein- und rauszurennen.«
»Ich muss mich parallel noch um eine persönliche Angelegenheit kümmern.«
Er schob die Hände in die Hosentaschen und schüttelte sich wegen der Kälte hier draußen.
»Du lässt aber nicht zu, dass deine persönlichen Angelegenheiten deine Arbeit beeinträchtigen, Arley? Kann ich dir vielleicht mit irgendetwas helfen?«
Sie schüttelte den Kopf und wollte die Unterredung plötzlich so schnell wie möglich beenden.
»Nein, aber danke für das Angebot. Lass mich einen Augenblick allein, ich komme gleich nach.«
Cheney nickte. »Klar doch«, sagte er und warf ihr einen aufmunternden Blick zu, der einen Augenblick zu lange dauerte. Dann ging er zurück in die Einsatzzentrale.
Sie sah ihm nach, dabei schossen ihr paranoide Gedanken durch den Kopf. Wie viel hatte er gehört? Würde er gegenüber Commissioner Phillips ihre Führungsqualitäten in Zweifel ziehen?
Und vor allem : Wie viel Zeit bleibt mir, um meine Kinder zu retten?
65
21:31
Scope schmiss fluchend den Hörer auf die Gabel.
»Immer noch kein Glück?«
Er seufzte. »Nein. Alle Leitungen besetzt.«
Das Problem bestand jetzt seit einer halben Stunde, seit die Terroristen vor den Augen der Weltöffentlichkeit die Geisel getötet hatten. Es schien, als hätten sehr viele Gäste, die in ihren Hotelzimmern in der Falle saßen, es ebenfalls gesehen und versuchten nun panisch nach draußen zu telefonieren. Zum Glück hatte Ethan die Exekution nicht mitbekommen, weil er kurz zuvor neben seiner Mutter eingenickt war und seitdem fest schlief.
Scope hatte zuletzt um Viertel vor neun mit Steve gesprochen, doch da war der Notarzt noch damit beschäftigt gewesen herauszufinden, wo das Hotelmanagement das Insulin aufbewahrte. Er hatte gestresst geklungen. Scope wählte einmal mehr Steves Nummer, bekam aber wieder nur das Besetztzeichen. Herrgott, wie viele Leute quatschten sich da die Seele aus dem Leib? Und mit wem redeten die bloß?
Er wandte sich zu Abby. Sie saß auf dem Bett, das Bein – wie schon den ganzen Abend – immer noch hochgelegt. Inzwischen sah sie schlimm aus. Ihr Gesicht war eingefallen und von tiefen Falten durchzogen, die Haut fischig grau, und ihre Hände zitterten.
Scope fragte, wie es ihr ging.
»Ich werde bald meine Spritze brauchen. Ich fühle mich ziemlich schwach. Glauben Sie, die haben Insulin im Hotel?«
Scope nickte. »Ganz bestimmt. Das ist ein Riesenkasten.«
»Wenn Sie den Mann nicht erreichen, mit dem Sie sprechen müssen, und mir stößt etwas zu, versprechen Sie mir dann, Ethan sicher nach draußen zu bringen?«
Scope blieb vor dem Bett stehen und sah, gerührt von ihrer Verletzlichkeit, auf sie hinab. »Gar nichts wird Ihnen zustoßen, das verspreche ich Ihnen. Ich werde runtergehen und das Insulin selbst finden.«
»Nein«, sagte sie entschieden. »Ich will, dass Sie sich um Ethan kümmern.«
Scope fragte sich, wie viel Zeit ihr blieb, ehe sie in ein diabetisches Koma fiel, und zum ersten Mal fürchtete er, er würde es nicht schaffen, sie zu retten. Es machte ihn wütend, dass die Regierung keinen Versuch unternommen hatte, die Geiseln zu befreien. Die logistischen Schwierigkeiten waren ihm zwar bewusst, aber ihm war auch klar, dass man das Hotel irgendwann würde stürmen müssen. Das Unvermeidliche hinauszuschieben bedeutete nichts anderes, als weitere Leben zu gefährden.
»Wir wissen ja fast nichts über Sie«, fuhr Abby fort, »aber ich sehe in Ihren Augen, dass Sie viel durchgemacht haben. Schlimme Dinge.«
»Schlimme Dinge können jedem zustoßen«,
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