Das Ultimatum
ging, aber viel schneller als dieser unterwegs war. Als die Frau den Senator beinahe eingeholt hatte, bemerkte der Killer, dass sie einen Walkman trug, und atmete erleichtert auf. Nein, es würden keine Unschuldigen sterben müssen.
Als Downs noch etwa zwanzig Meter entfernt war, drehte ihm der Killer den Rücken zu, lehnte sich an den Baum, zog das rechte Bein hoch und setzte seine Dehnungsübungen fort. Er hörte bereits das Keuchen des Hundes und das Tappen seiner Pfoten auf dem schwarzen Asphalt. Er ließ das rechte Bein los und begann das linke zu dehnen. Im Flüsterton sprach er in sein Mikrofon: »Wie sieht’s aus, over?«
Der Mann auf dem Rücksitz des Vans blickte aus den Fenstern des Wagens, ehe er antwortete. »Es ist niemand zu sehen außer dem Ziel und der Frau hinter ihm, over.«
»Roger, over.« Der Killer drehte den Kopf nach rechts und blickte über die Schulter zurück. Downs war in Schussweite, und die Frau war direkt hinter ihm. Als die beiden Fußgänger auf der Höhe des Baumes waren, hatte die Frau den Senator bereits überholt und entfernte sich zusehends von ihm.
Der Killer trat auf den Weg und ging hinter Downs her. Er ließ die rechte Hand unter sein weites Sweatshirt wandern und griff in den Bund der Gymnastikhose, um die 9-mm-Beretta hervorzuholen. Der Killer beschleunigte seine Schritte und schloss zum Senator auf. Er zog die Pistole heraus und streckte den Arm aus, sodass nur einige wenige Zentimeter zwischen dem Schalldämpfer und dem Hinterkopf des Mannes waren. Rasch feuerte er zwei Schüsse in die Schädelbasis des Mannes ab, und Downs stürzte vornüber und landete mit dem Gesicht auf dem Asphalt. Der Killer drehte sich um und sprintete durch den Park zu dem wartenden Van. Die Fußgängerin schritt im gleichen Tempo weiter, während die alte Colliehündin bei ihrem sterbenden Herrchen stand und an der Blutlache schnupperte, die sich an seinem Kopf ausbreitete.
6
Die Sonne erhob sich an dem herbstlichen Himmel, während der Wind stärker wurde und die Wolken vor sich hertrieb. Rote und goldfarbene Blätter raschelten unter den schwarzen Schuhen von FBI-Special-Agent Skip McMahon. McMahon war für das East Coast Quick Response Team des FBI verantwortlich. Das QRT, wie es innerhalb des FBI genannt wurde, stellte eine Elitetruppe von Agenten dar. Die Hauptaufgabe dieses Teams bestand darin, so schnell wie möglich den Schauplatz eines Terroranschlags aufzusuchen und nach Hinweisen zu suchen, um die Täter verfolgen zu können, solange die Spur noch heiß war. Die Einheit verfügte über Flugzeuge, Hubschrauber und mobile gerichtsmedizinische Labors und konnte binnen weniger Stunden an jedem beliebigen Tatort zwischen Chicago, Miami und New York sein.
McMahon lehnte seinen massigen Körper gegen einen Polizeiwagen und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Eine alte Football-Verletzung am Knie machte ihm heute Morgen mehr als gewöhnlich zu schaffen. Er sagte sich, dass das feuchtkalte Wetter daran schuld sein musste und nicht sein Alter. Der altgediente Agent verfolgte ungerührt, wie der schwarze Leichensack mit den sterblichen Überresten von Senator Fitzgerald in einen FBI-Van geladen wurde. Es war dies schon der dritte Tatort eines Verbrechens, den er heute Morgen hatte aufsuchen müssen, und ihm war völlig klar, dass die drei Morde etwas miteinander zu tun haben mussten. Er würde das natürlich nicht den Medien mitteilen, aber man brauchte kein Genie zu sein, um hier einen Zusammenhang zu erkennen. McMahon blickte in beide Richtungen der Straße und schüttelte den Kopf angesichts der Menge von Reportern und Schaulustigen, die sich jenseits der Polizeiabsperrung angesammelt hatte. Er umfasste den Kaffeebecher mit beiden Händen und schloss die Augen, um den Rummel um sich herum zu vergessen. Er versuchte sich vorzustellen, wie Fitzgerald ermordet worden war.
McMahon glaubte fest daran, dass man nur dann imstande war, etwas wirklich zu verstehen, wenn man es sich vor Augen führte. Er war überzeugt davon, dass der Mörder stets so etwas wie eine Aura am Tatort zurückließ. Es kam immer wieder vor, dass McMahon an die Orte, an denen jemand ermordet worden war, zurückkehrte – und das manchmal noch Monate oder gar Jahre nach der Tat. Er saß dann oft stundenlang da und ging verschiedene mögliche Szenarien durch, um so vielleicht einen Einblick in die Denkweise des Mörders zu bekommen.
McMahon versuchte sich in die Lage des Mörders zu versetzen, als er nun
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