Das Ultimatum
Jahren, dachte er noch oft an Sara. Der Schmerz war vergangen und hatte schönen Erinnerungen Platz gemacht, und seine Arbeit sowie gelegentliche Besuche bei seinen Töchtern und Enkelkindern füllten nun sein Leben aus.
Stansfield war so etwas wie ein Unikum in der Reihe der CIA-Direktoren. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hatte er weder eine militärische Karriere hinter sich, noch war er Jurist oder Politiker, und er hatte auch keine der Eliteuniversitäten der Ivy League besucht. Er war in den Fünfzigerjahren zur Agency gekommen, nachdem er sein Studium an der University of South Dakota abgeschlossen hatte. Stansfield verfügte über etwas, das in der Agency sehr gefragt war – er sprach zwei Fremdsprachen fließend, nämlich Deutsch und Norwegisch, und konnte sich auch in Französisch und Russisch gut verständigen. Er war auf einer Farm im ländlichen South Dakota aufgewachsen, in einer Zeit, als es noch kein Fernsehen gab, sodass sein Vater, der aus Deutschland eingewandert war, und seine Mutter, die aus Norwegen stammte, genügend Zeit hatten, um ihren Kindern ihre Muttersprachen sowie die Sitten und Gebräuche ihrer Heimatländer nahe zu bringen. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg war Stansfield einer der erfolgreichsten Agenten der CIA. In den Achtzigerjahren wurde er Station Chief der CIA in Moskau und schließlich Direktor der Operationsabteilung. Damals hatte er gedacht, dass er das Ende seiner persönlichen Karriereleiter erreicht hatte.
Dann jedoch machte der vorhergehende Präsident etwas, das alle überraschte. Die CIA sammelte zur Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion ihr Informationsmaterial bereits zu einem großen Teil mit Hilfe von Spionagesatelliten und anderem Hightech-Gerät. Aber so wertvoll diese »elektronischen Spione« auch waren – einen richtig eingesetzten Agenten konnten sie doch nicht ersetzen. Im zweiten Jahr seiner Amtszeit wurde der damalige Präsident mit seiner ersten größeren Krise konfrontiert, und er musste erkennen, dass ihm seine Nachrichtendienste nicht die Informationen liefern konnten, die er benötigte. All die teuren Satelliten und Spionageflugzeuge konnten in diesem Fall nichts ausrichten; was er brauchte, war jemand, der das Geschehen aus nächster Nähe und von innen unter die Lupe nehmen konnte – kurz gesagt, einen Spion.
Nach diesem Vorfall stellte der Präsident eine Arbeitsgruppe zusammen, deren Aufgabe es war, einen Plan zur Lösung dieses Problems auszuarbeiten. Stansfield gehörte dieser Arbeitsgruppe an, obwohl er selbst sie als reine Zeitverschwendung ansah. Nach endlosen Sitzungen und Debatten teilte die Gruppe dem Präsidenten ihre Ergebnisse mit. Diese bestanden im Wesentlichen in der Erkenntnis, dass Amerika weltweit deutlich mehr Agenten als bisher einsetzen müsse. Zu Stansfields Überraschung stimmte der Präsident nicht nur zu, sondern beschloss obendrein, den damaligen CIA-Direktor, der ohnehin bald in den Ruhestand treten sollte, durch jemanden zu ersetzen, der über ausreichende Erfahrung im Spionagewesen verfügte.
Einige Leute waren nicht erfreut, dass sie für das Amt nicht in Betracht gezogen wurden, doch es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Entscheidung zu akzeptieren. Stansfield war in Geheimdienstkreisen eine Legende. Er war als Agent hinter dem Eisernen Vorhang tätig gewesen und hatte dort viele Jahre sein Leben aufs Spiel gesetzt. Fast zwangsläufig war er die Karriereleiter hochgeklettert und hatte so das Spionagegeschäft von allen Seiten kennen gelernt.
Das Telefon auf Stansfields Schreibtisch klingelte, und er schaute über den Brillenrand hinweg, um zu sehen, auf welcher Leitung der Anruf kam. Das Licht ganz rechts blinkte, was ihm sagte, dass es sich um einen Anruf auf seiner Privatleitung handelte. Er griff nach dem Hörer und meldete sich.
»Tom, Brian Roach hier. Tut mir Leid, dass ich Sie am Sonntagabend stören muss, aber ich müsste dringend ein paar Dinge mit Ihnen besprechen.« Es war nichts Ungewöhnliches, dass Roach seinen Amtskollegen von der CIA anrief, aber an diesem Abend wusste er nicht recht, wie er ihm sein Anliegen mitteilen sollte.
»Kein Problem, Brian. Was kann ich für Sie tun?«
»Tom«, begann Roach nach kurzem Zögern, »ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen, aber wenn Sie nicht antworten möchten, sagen Sie es mir ruhig.«
»Schießen Sie los.«
»Tom, haben Sie oder sonst jemand in der Agency irgendwelche Informationen, die die Annahme nahe legen, dass die
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