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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Hohberg
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Kreise auf dem Küchentisch zieht. »Wie geht es dir?«
    Er hat nicht auf »Laut« gestellt. Lina hört also lediglich das, was ihr Vater sagt. »Nein, nein, ausnahmsweise nicht. Die Frage ist ehrlich gemeint.«
    …
    »Hast du Schmerzen?«
    …
    »Warst du schon bei einem Arzt da unten?«
    …
    »Aber du hast eine Adresse, oder?«
    …
    »Und wenn er sagt, dass du in ein Krankenhaus musst?«
    …
    »Verstehe. Ja, doch, ich kann das verstehen. Vielleicht verstehe ich mehr, als du glaubst.«
     
    Dann sagt er eine Weile nichts mehr. Lässt die Hand für Momente still liegen, bevor er sie langsam wieder in Bewegung setzt.
     
    »Tja, manchmal schlägt das Leben merkwürdige Haken«, meint er nach einiger Zeit, und Lina spürt, dass auch ihre Mutter geschwiegen hat. »Aber sieh es mal so … vielleicht … ach, was rede ich, Martha? Mir tut das alles verdammt leid.«
    …
    »Mach das«, sagt er schließlich.
    …
    »Ja, ja, ich bin noch immer da. Hier, in eurem Haus.«
    …
    »Lina?« Er sieht auf und nickt seiner Tochter zu. »Ja, ich geb sie dir. Und bitte, Martha, tu mir einen Gefallen. Nimm diesmal alles mit.«
    …
    »Darüber reden wir ein anderes Mal, okay? Ich reich dich jetzt mal weiter. Also dann, tschüss.«
     
    Er hält das Telefon noch eine Weile in der Hand, als wollte er das Gewicht dessen abschätzen, was gerade gesagt worden ist. Dann gibt er es seiner Tochter.
    Sie räuspert sich, bevor sie in den Hörer spricht. »Hallo.«
    »Lina, du hast vorhin angerufen. Michele hat es mir ausgerichtet. Er meinte, du seist etwas durcheinander gewesen. Es tut mir leid, mein Schatz, aber …«
    »Wer ist dieser Mann, Mama?«
    »Er ist mein Freund.«
    »Seit wann?«
    »Seit zwei Wochen. Er ist der Bruder einer Freundin. Und er ist ein wunderbarer Mann. Du würdest ihn mögen. Er unterrichtet Yoga, und er …«
    »Mama, bist du noch bei Trost?«, unterbricht Lina sie.
    Martha sagt einen Moment nichts. »Ja«, entgegnet sie schließlich leise. »Ich bin zwar krank, aber mein Verstand funktioniert einwandfrei. Und ich bitte dich einfach nur zu akzeptieren, dass sich ein paar Dinge in meinem Leben geändert haben. Das erwarte ich von dir.«
    »Aber …«
    »Du bist kein kleines Kind mehr«, unterbricht ihre Mutter sie. Und Lina muss daran denken, dass Hans ihr vorhin dasselbe gesagt hat. »Ich hab mich verliebt, ja. Das ist ganz einfach, und es ist gut, wie es ist. Vielleicht ein etwas ungünstiger Zeitpunkt, das gebe ich zu, aber ich hab da nicht mehr so viel Möglichkeiten, ich meine, was das Timing betrifft.«
    »Entschuldige.« Es kommt kleinlaut heraus, dieses Wort.
    »Schon gut.« Sie hustet. »Lina, ich hab da noch eine Bitte.«
    »Ja?«
    »Könntest du mir ein paar Sachen einpacken und hier runterschicken? Am besten per Bahn. Du müsstest dich mal erkundigen, wie das geht. Dein Vater kann dir ja dabei helfen.«
    »Was für Sachen?«
    »Ich mach dir eine Liste und schick sie dir per Mail.«
    »Das heißt, du meinst es ernst? Du willst wirklich länger bleiben?«
    »Ja.«
    »Und wann kann ich dich besuchen? Kann ich dich überhaupt besuchen, oder willst du das auch nicht?«
    »Warum sollte ich das nicht wollen? Ich freu mich, dir hier alles zu zeigen. Du fehlst mir sehr, Lina.«
    Die Tochter schluckt. »Wann bekomme ich diese Liste?«, fragt sie schnell.
    »In den nächsten Tagen.«
    »Okay.«
    »Dicken Kuss. Und pass auf dich auf, versprochen?«
    »Ja.«
    Lina legt auf. Dann trinkt sie den letzten Schluck Kaffee. Er ist inzwischen kalt geworden.
    Hans holt Luft und lässt sie mit einem Pfeifen wieder heraus. »Alles klar?«, fragt er.
    »Nicht unbedingt, aber das ist jetzt auch schon egal. Sie will, dass ich ihr ein paar Kisten packe und runterschicke.«
    »Ich kann dir helfen.«
    Sie nimmt den Löffel, der auf dem Unterteller neben der Tasse liegt, und lässt ihn geräuschvoll wieder fallen. »Wenn du unbedingt willst.«
    Er übergeht ihre Bemerkung. »Hat sie dir gesagt, wie lange sie dort unten bleiben will?«
    »Nein, Papa, hat sie nicht. Aber wenn du mich fragst, hört sie sich nicht so an, als ob sie beabsichtigt wiederzukommen.«
    »Klar, was soll sie denn hier noch? Sich das Mitleid aller Freunde abholen? Einen letzten Winter in diesem Kaff verbringen? Nee, Lina … Und außerdem hat sie sich verliebt, deine Mutter.«
    »
Das
hat sie dir auch erzählt?«
    »Ja, und ihre Stimme klang dabei … Wie soll ich sagen? Ein bisschen wie damals, als wir uns kennenlernten.«
    Sie sieht ihn an. Sie kennt die

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