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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Hohberg
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zu bedienen. Ein Gebirge nennt er seine Ehe. Ein Gebirge mit Höhen und Tiefen, Abgründen und Steilhängen, Geröllfeldern und unwegsamem Gelände, aber auch mit Gipfeln, von denen der Ausblick phantastisch ist, weil man sich über den Wolken wähnt, der Sonne ein Stück weit näher.
    Sie gehen oft Hand in Hand, Robert und Catherine, und weil sie über siebzig sind, gehen sie bereits ein wenig gebückt. Nicht selten denkt Martha, dass sie sich genau das wünschte, damals, als sie dieses »In guten wie in schlechten Tagen« vor dem Standesbeamten aufsagte, Hans neben sich, der ihr dasselbe versprach. Sie wollte einen Weggefährten, aber letztlich gab sie das Tempo bei der Bergtour vor, gönnte ihnen beiden keine Rast, hielt den Proviant knapp, bis Hans die Kräfte verließen, er Hunger und Durst bekam und sich umsah, was links und rechts der von ihr vorgegebenen Marschroute zu finden war. Sie hat ihn verloren, ihren Mann, und dabei selbst den Gipfel verfehlt. Robert und Catherine zeigen ihr, was möglich gewesen wäre, und es gibt Tage, da tut es weh, was sie sieht.
     
    Jetzt lacht sie zurück und setzt sich Robert gegenüber an den Tisch, auf dem bereits eine Schale mit Kartoffelchips und eine Platte mit Sandwiches stehen, die hier zum Aperitif serviert werden. Martha greift nach einem Thunfisch-Sandwich und schiebt gleich eins mit Artischocken hinterher.
    »Hunger?« Robert grinst und winkt den Kellner heran.
    Sie kaut und nickt. »Ich hab heute noch nichts gegessen.«
    »Was magst du trinken? Weißwein oder einen Spritz?«
    »Wein. Die haben hier einen guten aus Sizilien.«
    Robert erklärt dem Kellner in einer Mischung aus Englisch und Italienisch, was er möchte.
    Martha lacht. »Hey, so eine einfache Bestellung müsstest du doch nach fünf Wochen Unterricht im Schlaf auf Italienisch runterbeten können.«
    »Ach, was soll’s! Ich hab ja Catherine, wenn’s eng wird. Und außerdem sprechen hier fast alle Englisch.«
    »Glück für dich. Bei Deutsch sieht die Lage nicht ganz so gut aus. Ach ja, wo ist Catherine? Wollte sie nicht mitkommen?«
    »Sie hat bei einem Vortrag in der Schule eine Literaturprofessorin kennengelernt, und wissbegierig, wie meine Frau nun mal ist, hat sie sich gleich zu einer Veranstaltung an der Uni einladen lassen. Wahrscheinlich, um hinterher wieder bei mir angeben zu können.«
    »Na, in diesem Punkt habt ihr ja wohl Gleichstand.«
    »Du meinst, ich gehe hausieren mit meinem mageren Wissen?«
    »Robert, bitte nicht zu unbescheiden. Ich bin ziemlich dankbar, dass jemand wie du mir die Dinge zwischen Mann und Frau erklärt.«
    Der Kellner bringt Martha den Weißwein, und sie hebt ihr Glas und stößt es gegen das von Robert. »Salute.«
    »Salute.« Er trinkt einen großen Schluck und stellt sein Glas ab. »Aber mal im Ernst, du wirkst etwas blass, Martha. Macht die Liebe Pause?«
    Robert weiß von ihr und Michele. Sie hat ihm von Francescas Bruder erzählt. Sie hat ihm auch von ihrer Ehe erzählt, und sie haben viel über späte, zweite Lieben gesprochen. Einmal waren sie sogar zusammen essen, sie und Michele mit Robert und Catherine und Francesca. Ein Abend, an dem es um Yoga und Meditation und Gurus gegangen war. Hinterher sagte Michele, er finde es wunderbar, wenn ältere Menschen ihre Mitte gefunden hätten. Und er nahm Martha in den Arm und meinte leichthin, wenn sie erst mal die siebzig überschritten hätten, dann würden sie ebenfalls ein schönes Paar abgeben. Sie löste sich aus seiner Umarmung und fuhr ihn an, er solle nicht immer Zukunftspläne machen. Zuerst lachte er noch und meinte, Woody Allen habe mal behauptet, er denke so viel an die Zukunft, weil das der Ort sei, wo er den Rest seines Lebens zubringen werde. Doch sie fand das überhaupt nicht zum Lachen, und danach hatten sie ihren ersten Streit. Sie schliefen getrennt in dieser Nacht. Es war Martha, die ihn am nächsten Morgen um sieben Uhr anrief und um Verzeihung bat.
    »Nein«, sagt sie jetzt zu Robert. »Die Liebe tut gut. Es ist nur …« Sie beißt sich auf die Lippen.
    »Ist was mit Michele?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Man kann über alles reden«, fasst er nach.
    »Über das nur schwer, Robert.«
    »Ich bin Psychologe.«
    »Und ich eine Journalistin, die lieber Fragen stellt als Antworten gibt.«
    Er schiebt die Schale mit den Kartoffelchips über den Tisch. Sie greift hinein.
    »Wenn man sich selbst die richtigen Fragen stellt, erhält man hin und wieder die erstaunlichsten Antworten«, sagt er.
    »Da

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