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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Hohberg
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bitte.«
    Das Mädchen nickte, und keine Minute später stand der Wein auf dem Tisch. Hans füllte die Gläser nach.
    Martha atmete schwer. »Warum bist du eigentlich hergekommen?«, stieß sie hervor.
    »Weil ich dich sehen wollte. Weil ich mich seit Jahren frage, warum das mit uns damals auseinandergegangen ist …«
    »Das fragst du noch?«, fuhr sie ihn an. »Du hast mich nach Strich und Faden betrogen. Du bist mit jeder Frau ins Bett gegangen, die du kriegen konntest. Und du hast jetzt die Frechheit, mich zu fragen …«
    »Hör auf! Ich kenne die offizielle Version. Ich weiß, was ich getan habe. Du hast es mir ja oft genug vorgehalten. Ich mir selbst übrigens auch, falls es dich interessiert. Auswendig kann ich es runterbeten, mein Sündenregister. Aber hast du eigentlich ein einziges Mal darüber nachgedacht, warum ich es bei dir nicht mehr ausgehalten habe?«
    »Du wirst es mir wahrscheinlich gleich verraten.«
    »Du hast uns keine Chance gegeben. Du hast alles erdrückt mit deinen Prinzipien. Am Anfang, ja, da hatte ich das Gefühl, du brauchst mich.«
    »Hab ich auch. Und genau das war mein Fehler. Ich dachte, du würdest mich retten, auftauen, was meine Mutter eingefroren hatte, doch das ist der größte Irrglaube überhaupt gewesen – anzunehmen, du könntest alles heilen.«
    »Aber wir haben uns mal geliebt, Martha.«
    »Wir haben uns aneinandergeklammert wie zwei Ertrinkende, du mit deinen Träumen und ich mit meinen Ängsten.«
    »Wir hätten alles haben können, aber nach Linas Geburt … Du warst plötzlich so unnahbar. Was ich auch tat, nichts genügte dir. Haus, Arbeit, Garten, Kind, ich bekam überall schlechte Noten von dir. Ich war ja auch nicht perfekt. Aber ich war vernarrt in dich. Doch wenn ich mich an dir wärmen wollte, hast du mir die kalte Schulter gezeigt. Müde, du warst immer nur müde. Und irgendwann war ich auch müde …«
    »… und dann hast du dich trösten lassen.«
    »Ja. Ich war schwach. Und nicht nur das. Du hast mir täglich aufs Neue meine Schwächen vorgehalten. Als die anderen Frauen kamen, wurde es ja noch mal schlimmer. Ich fühlte mich dir gegenüber wie ein Wurm.«
    Sie nahm einen großen Schluck Wein. »Und ich fühlte mich wie eine Versagerin. Ich wollte alles richtig machen, das Schiff wieder seetüchtig machen. Ich wollte, dass du mit mir die Segel setzt, aber dir war das alles zu viel. Du lebtest in deinen Luftschlössern, und sobald das Wort Verantwortung fiel, hast du dich in dein Wolkenkuckucksheim verabschiedet.«
    »Dahin hätte ich dich gern mitgenommen«, sagte er leise.
    Sie schloss für ein paar Sekunden die Augen, und in der Schwärze, die sie plötzlich umgab, sah sie auf einmal ihre verpassten Chancen. Wie ein Flugzeug, das gerade die Startbahn verlässt und abhebt, während man frierend auf dem Rollfeld steht, den Kondensstreifen am Himmel sieht und genau weiß, dass dies der letzte Flieger war.
    »Verzeih mir«, flüsterte sie. »Ich wäre nichts lieber als mitgekommen damals.«
    Er sah sie ungläubig an. »Ist das wahr?«
    »Ja, aber mir war das nicht bewusst. Und nun es ist zu spät. Nun ist meine Destination eine andere.«
    Er schluckte. Sie sah, wie seine Lippen zitterten.
    »Den Tod, ja, ich meine den Tod. Aber nicht nur den. Da ist auch die Liebe zu einem anderen Mann.«
    Er nickte. »Hab ich nie richtig hingeschaut, oder hast du dich verändert?«, fragte er schließlich.
    »Beides, Hans«, antwortete sie leise.
    »Dieser Michele …«, begann er vorsichtig.
    »Ja?« Sie goss erst ihm, dann sich Wasser nach. Sie ließ sich Zeit damit, rückte sogar die Gläser ein wenig zurecht.
    »Er macht einiges richtig, scheint mir.«
    »Er ist, wie er ist. Da gibt es kein Richtig und Falsch. Die Liebe hat andere Parameter.«
    »Welche?«
    »Das fragst ausgerechnet du?«
    »Ich will, dass du es mir erklärst.«
    »Das ist eine Sache von Schwingungen. So als ob du plötzlich spürst, dass da jemand auf deiner Frequenz funkt. Michele passt in mein Leben, jetzt, in diesem Moment. So wie du auch mal in mein Leben gepasst hast.«
    »Hab ich das wirklich?«
    Sie neigte den Kopf, ganz leicht nur, aber diese Geste löste auf, wohinter sie sich so lang verborgen hatte, gab ihr etwas Weiches. »Natürlich, Hans. Ich hab’s dir vorhin schon gesagt. Die Liebe macht nicht allzu viele Hausbesuche im Leben. Bei mir war sie ganze zwei Mal zu Gast, von ein paar belanglosen Stippvisiten mal abgesehen.«
    »Du sagst das ohne Bitterkeit.«
    »Ich mag den Geschmack

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