Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
nicht mit einem Kurier oder per Express, damit sichergestellt war, dass er nicht zu früh ankam. Einen weiteren Brief mit dem Vermerk »Eilt!« hatte er direkt in den Briefkasten des ortsansässigen Arztes geworfen. Darin informierte er den Arzt über seine Absichten und bat, dass man einen Krankenwagen schicken möge, um seinen Leichnam abzuholen. Er bat weiterhin darum, dass meine Mutter informiert werden würde, sodass sie diejenige sein konnte, die es mir sagte. Meine Mutter würde es mir schonend beibringen, wenn ich von der Schule nach Hause kam. Zu diesem Zeitpunkt würde er schon seit etwa sieben Stunden im Leichenschauhaus liegen. Er hatte alles haarklein geplant, damit unter gar keinen Umständen ich derjenige war, der seine Leiche entdeckte. Ich fand das sehr rücksichtsvoll von ihm.
Als er aufwachte, war er stinksauer.
Der Krankenwagen hatte uns ins Yeovil-Bezirkskrankenhaus gebracht. Es war wie eine Wiederholung der Fahrt, die ich vor etwa fünf Jahren und vier Monaten gemacht hatte, nach dem Meteoriteneinschlag. Damals war ich natürlich bewusstlos gewesen, wie Sie ja wissen, und als ich zwei Wochen später aufwachte, glaubte ich, im Himmel zu sein. Mr. Peterson war bloß eine Nacht lang bewusstlos, und als er aufwachte, wusste er sofort, dass etwas schiefgegangen war. Obwohl er nicht ganz bei sich war, machte er sich keine Illusionen darüber, dass das Yeovil-Bezirkskrankenhaus das Jenseits sein könnte. Es roch zu sehr nach gestärkter Wäsche.
Bevor er aufwachte, hatte man mich schon mit meiner Mutter nach Hause geschickt, und als wir am nächsten Nachmittag zurückkamen, schlief er wieder. Eine der Schwestern meinte, es sei sehr unwahrscheinlich, dass er noch während der Besuchszeit aufwachen und klar denken können würde, weil man ihn mit Morphium vollgepumpt habe. Ich war mir nicht sicher, dass dies die geeignete Therapie war, aber ich konnte den Grund für diese medizinische Maßnahme verstehen: In dem Moment, in dem er aufgewacht war, hatte er angefangen zu meckern. Er meinte, es sei der schlimmste Kater, den jemals jemand hätte erdulden müssen. Das war nicht verwunderlich. Er hatte sich schließlich vergiftet, und man hatte ihm den Magen auspumpen müssen. Er nervte die Schwester, indem er ihr immer wieder erzählte, dass diese Erfahrung schlimmer sei als Vietnam, und dass sie – wenn sie ihn schon nicht sterben lassen wollten – ihm wenigstens etwas geben sollten, damit er schlafen könne. Schließlich rief man einen Arzt, und der befand, dass man etwas tun müsste. Die augenblickliche Lage war eine Zumutung für die Schwestern und auch für die anderen Patienten auf der Station. Aber unglücklicherweise konnte man Mr. Peterson aufgrund der jüngsten Attacke auf seine Leber und Nieren keins der üblichen Beruhigungsmittel verabreichen. Und so spritzten sie ihm stattdessen Morphium, und zwar einen ganzen Tag lang alle sechs Stunden.
Daher hatte es wenig Sinn, ihn an diesem Tag zu besuchen.
Ich fragte meine Mutter, ob ich mich für den Rest der Woche von der Schule beurlauben lassen durfte, und sie fand, das sei eine gute Idee.
Am nächsten Tag kam Ellie mit ins Krankenhaus und bestand darauf, mich auf die Station zu begleiten. Ich hatte den Verdacht, dass meine Mutter sie darum gebeten hatte, war mir aber nicht sicher. Möglicherweise war es auch bloß eine morbide Neugier. Bei Ellie wusste man nie. Aber trotzdem war ich dankbar, dass sie mich mit dem Wagen mitnahm und ich nicht laufen musste.
Mr. Peterson war dünn, unrasiert und schaute grimmig drein. Er sah ziemlich unheimlich aus – um ehrlich zu sein, als sei er von den Toten auferstanden. Aber das war ja irgendwie zu erwarten gewesen. Sein Ausdruck änderte sich auch nicht, als wir auf zwei Stühlen neben seinem Bett Platz nahmen.
»Hallo«, sagte ich.
»Hallo.«
Seine Stimme passte zu seiner Miene.
»Das ist Ellie. Sie hat mich hergefahren. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass sie hier ist. Sie wollte mich nur kurz begleiten.«
»Ich bin nicht scharf drauf, euch beide zu sehen«, sagte Mr. Peterson. »Aber ich vermute, dass auch das nicht mehr meine Entscheidung ist.«
Ich ließ die Bemerkung unkommentiert.
»Wie geht es Ihnen?«
»Was glaubst du denn?«
»Sie fühlen sich vermutlich schrecklich.«
»Ich fühle mich schrecklich, ganz recht. Weißt du, dass sie mich hier nicht rauslassen wollen? Jedenfalls nicht in naher Zukunft. Es ist offiziell. Ich bin zwangseingewiesen. Wenn ich versuche, das Krankenhaus
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