Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
versuchte noch, den Sturz mit dem linken Arm abzufangen, der allerdings unter dem Gewicht seines Körpers nachgab und die Wucht, mit der sein Kopf auf dem Küchenboden aufprallte, nur mäßig abfing.
Nach einem Versuch, sich hochzustemmen, war ihm klar, dass sein linkes Handgelenk keinerlei Druck aushielt, und nur mit dem rechten Arm allein schaffte er es nicht. Er hatte keine andere Wahl, als genauso zu verharren, wie er war – mit der linken Wange gegen die kalten Bodenfliesen gepresst, einen Arm unangenehm unter dem Körper verdreht und das Haar mit gerinnendem Blut verklebt.
Als Krystyn kam, tat sie, was jeder vernünftige Mensch getan hätte: Sie rief den Krankenwagen. Mr. Petersons schwache Versuche, sie davon abzuhalten, blieben ungehört. Die Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, während er wartend auf dem Boden gelegen hatte – dass es ihm gut gehe und sie ihm nur wieder auf die Füße helfen solle –, kamen als eine Reihe von unverständlichem Stöhnen und Röcheln aus seinem Mund. Sie waren nicht dazu angetan, Krystyns Einschätzung der Situation ins Wanken zu bringen, die sie mit einem einzigen Wort in ihrer Muttersprache umschrieb, einem Wort, das sie zehn- oder zwanzigmal wiederholte. Mr. Peterson ahnte, was dieses Wort bedeutete.
Die Röntgenaufnahme zeigte einen sauberen Bruch in seinem linken kleinen Finger, der zusammen mit seinem Ringfinger bandagiert und geschient werden musste. Des Weiteren wurde seine Kopfverletzung mit ein paar Stichen genäht. Abgesehen davon habe er Glück gehabt, meinten die Ärzte. Wenn er sich in einem guten Allgemeinzustand befunden hätte, wäre er wohl noch am selben Tag entlassen worden. Aber wie die Dinge lagen, kam das überhaupt nicht infrage. Unter normalen Bedingungen waren die Verletzungen nicht ernst, aber in Mr. Petersons Fall waren sie weit hinderlicher als bei anderen Menschen. Er war an einem Punkt angelangt, an dem er sich nicht mehr nur auf eine Krücke verlassen konnte. Er brauchte beide Hände, um sich abzustützen und das Gleichgewicht zu halten.
Das größte Problem jedoch war der Zeitpunkt.
Sie wollen mich mindestens zwei Tage hierbehalten , schrieb Mr. Peterson, als ich ihn nach der Schule im Krankenhaus besuchte.
»Dann wird alles ein bisschen knapp«, bemerkte ich, als ob er das nicht selbst wüsste. »Gibt es keine Möglichkeit, sie davon zu überzeugen, Sie früher zu entlassen?«
Die sagen, es sei zu riskant , schrieb Mr. Peterson. Sie vermuten, dass ich eine Gehirnerschütterung habe, weil mir schwindelig ist und ich das beschissene Krankenhausessen nicht bei mir behalten kann.
»Vielleicht haben Sie wirklich eine Gehirnerschütterung«, sagte ich.
Ich habe keine Gehirnerschütterung. So fühle ich mich immer. Das ist bloß ein Vorwand.
Ich las seine Worte und blickte ihn ratlos an. »Ein Vorwand wofür?«
Zwei Tage wegen einer Gehirnerschütterung? So ein Quatsch! Die behalten mich hier, weil sie mich nicht heimschicken können. Das ist doch offensichtlich. Guck mich doch an!
Ich guckte.
Ich kann mein linkes Handgelenk nicht belasten. Ich kann nicht einmal irgendwas greifen wegen dieser blöden Schiene. Wie soll ich denn hier rauslaufen, selbst nach zwei Tagen? Ich sitze in der Falle.
Meine Gedanken waren schon vorausgaloppiert. »Ich rufe gleich morgen in der Schweiz an«, sagte ich. »Ich werde die Sache erklären und den Termin verschieben. Es ist noch nicht zu spät. Wenn Sie entlassen werden, sind Sie noch fit genug für die Reise.«
Mr. Peterson brauchte eine Weile, um seine Antwort niederzuschreiben. Er füllte eine halbe Seite.
Alex, die werden mich nicht mehr entlassen. Begreifst du das denn nicht? Kein Arzt wird es verantworten, mich heimzuschicken. Sie werden mich hierbehalten, bis ich mich überhaupt nicht mehr bewegen kann, und dann schieben sie mich an die Fürsorge ab. Ich werde von hier aus auf direktem Weg ins Hospiz gebracht. Oder die lassen mich hier nur in einem Leichensack raus! Das muss dir doch klar sein!
Es war mir klar. Egal, wie reibungslos sein Netzwerk aus Pflegern und Hilfskräften funktionierte, Mr. Peterson konnte nicht mehr alleine leben. Kein Arzt unter der Sonne würde ihn für gesund genug erklären, dass er in seine eigene Obhut entlassen werden könnte. Wir hatten die Sache so lange es ging hinausgezögert.
»Dann also jetzt oder nie, richtig?«, sagte ich.
Richtig. Jetzt oder nie. Ich darf den Termin nicht verpassen.
»Bis morgen Abend habe ich gepackt und den Wagen fertig
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