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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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Rollstuhls und stürmte auf den Fahrstuhl zu. Der Ruck, mit dem ich den Rollstuhl fünf Sekunden später anhielt, hätte mir beinahe die Arme ausgekugelt. Wir waren gut zwei Meter am Fahrstuhl vorbeigeschossen. Mr. Peterson fiel in seinem Rollstuhl vor und zurück. Ich wurde nach vorne geschleudert und spürte, wie sich ein Schiebegriff in meine Rippen bohrte, aber ich achtete nicht darauf. Ich ging rückwärts und drückte hastig sechs- oder siebenmal auf den Knopf. Das Warten, bis der Fahrstuhl fünf Stockwerke überwunden hatte, war unerträglich, aber als die Fahrstuhltür aufging, sah ich zu meiner Erleichterung, dass die Kabine leer war. Als wir drin waren und ich auf den Knopf mit E für Erdgeschoss gedrückt hatte, hörte ich über das Rauschen des Blutes in meinen Ohren hinweg schnelle Schritte. Ich wirbelte herum und sah durch den schmaler werdenden Schlitz zwischen den sich schließenden Türen Schwester Fletcher und einen schlaksigen Mann vom Wachdienst auf den Fahrstuhl zurennen. Ich hatte keine Ahnung, woher sie so schnell Hilfe aufgetrieben hatte, aber sein Erscheinen konnte den Verlauf der Ereignisse nicht mehr ändern. Die Anzeige über der Fahrstuhltür zeigte die Stockwerke an; sie schaltete auf E, und ich schoss förmlich aus der Kabine heraus wie eine Rakete. Das erwies sich als völlig unnötig, denn der Eingangsbereich des Krankenhauses war leer. Wäre es anders gewesen, hätte sich meine Hektik sicherlich zu unserem Nachteil ausgewirkt. Aber ich konnte gar nicht anders. Durch meine Adern jagte das Adrenalin, und in mein Gehirn, meine Arme und meine Beine wurde so viel Sauerstoff gepumpt, dass Rennen die einzige Fortbewegungsmöglichkeit zu sein schien. Kein Sanitäter hätte einen Patienten so schnell in ein Krankenhaus hineinfahren können, wie ich Mr. Peterson hinausfuhr. Die Haarnadelkurve an der Rollstuhlrampe nahm ich wie ein Rallyefahrer, ich fegte an einem belustigten Raucher vorbei und kam zwanzig Meter weiter mit quietschenden Reifen zum Stehen, ziemlich genau dreißig Zentimeter neben der Beifahrertür unseres Wagens.
    Wir redeten nicht. Wir zögerten auch nicht. Mr. Peterson war leicht wie eine Feder, als ich ihn in den Wagen hob. Ohne nachzudenken faltete ich den Rollstuhl zusammen und stopfte ihn in den Kofferraum. Drei Minuten später hatte ich den Kreisverkehr des Krankenhauses umrundet und bog von der zweispurigen Straße ab auf den Hof einer Tankstelle. Dort waren wir sicher hinter einer Reihe hoher Bäume.
    Ich schaltete die Innenbeleuchtung ein und wartete darauf, dass meine Hände aufhörten zu zittern.
    Mr. Peterson gab mir einen Zettel. Sehr gut gemacht. Ich bin stolz auf dich.
    Ich rieb mir die Augen und atmete etwa zehnmal tief durch.
    »Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, den Rollstuhl mitzunehmen«, sagte ich beschämt. »Eigentlich wollte ich ihn auf dem Parkplatz stehen lassen. Ich werde ihn zurückbringen, wenn das alles vorbei ist. Der Gedanke, das allgemeine Gesundheitswesen zu bestehlen, gefällt mir gar nicht.«
    Mr. Peterson gab plötzlich merkwürdige erstickte Laute von sich. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir klar wurde, dass er lachte, und noch länger, bis ich merkte, dass ich ebenfalls lachte. Es war kein Gelächter wie über einen Witz, sondern ein brüllendes, hysterisches Hyänengeheul, das meinen ganzen Körper erschütterte und mir die Tränen über die Wangen laufen ließ. Erst nach einigen Minuten hatte ich mich so weit beruhigt, dass ich seinen nächsten Zettel lesen konnte.
    Alles klar, Junge?
    »Mir geht’s prima.«
    Sehr gut. Dann mal los.
    Ich startete den Wagen und fuhr wieder hinaus auf die Straße. Zehn Minuten später waren wir auf der A303 und rasten ostwärts durch die dunkler werdende Nacht.

21 Elementarteilchen
    Um sechs Uhr morgens Ortszeit verließen wir die Fähre in Calais. Der Horizont im Osten hellte sich allmählich auf. Ein paar Minuten später fuhren wir aus dem Hafen heraus; den Zoll passierten wir ungehindert. Und dann legten wir erst einmal hundertfünfzig Kilometer zurück, bevor wir kurz vor Saint-Quentin anhielten, um zu frühstücken.
    Auf dem Kanal war alles ruhig gewesen und die Überfahrt nicht weiter bemerkenswert. Als wir an Bord der Fähre gingen, forderte der Schlafmangel bei Mr. Peterson schließlich seinen Tribut. Ich ließ ihn in seinem Rollstuhl in einer geschützten Ecke auf dem unteren Passagierdeck dösen, während ich nach oben auf das offene Oberdeck ging. Ich war zum allerersten Mal

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