Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
Vom Netzwerk:
in denen er ans Bett gefesselt gewesen war, hatten seine Beweglichkeit zusätzlich verschlechtert. Es sah so aus, als ob selbst eine so kurze Zeit der Inaktivität die Degeneration der Muskeln und Nervenbahnen beschleunigen würde. Er litt unter steifen Gliedern und Krämpfen, und mit dem Rauchen versuchte er, sich Linderung zu verschaffen. Es kostete ihn schon sichtlich Mühe, seine Beine aus dem Fußraum des Beifahrersitzes auf den Boden außerhalb des Wagens zu stellen, damit er das Gesicht dem Freien zuwenden konnte, während er rauchte.
    Aus diesem Grund erwies sich der gestohlene Rollstuhl – meinen verbliebenen Schuldgefühlen zum Trotz – als Glücksfall. Mr. Peterson musste nicht lange überredet werden, ihn weiterhin zu benutzen. Ich fuhr ihn in die Raststätten und auch wieder hinaus, und so setzten wir unsere Reise nach Südosten fort.
    Die Felder in Nordfrankreich waren größer und weiter, aber ansonsten unterschieden sie sich nicht von den Feldern im Süden Englands. Wenn die Straßenschilder nicht gewesen wären, die Mautstationen und die Tatsache, dass wir auf der rechten Straßenseite fahren mussten, wäre es genauso gewesen wie zu Hause. Aber die Landschaft änderte sich, als wir in die Weinanbaugebiete kamen, die weiter von der Küste entfernt lagen. In der Nähe von Lunéville aßen wir zu Mittag, und jetzt sah es nicht mehr aus wie in England; und als wir in Saint-Louis anhielten, direkt vor der Schweizer Grenze, hatte ich endgültig das Gefühl, in einem fremden Land angekommen zu sein. Ich fand, es war Zeit, meine Mutter anzurufen.
    Ich weiß nicht, was ich Ihnen über dieses Telefonat erzählen soll. Es lief nicht besonders gut. Abgesehen davon gibt es nicht viel dazu zu sagen.
    Es war etwa drei Uhr nachmittags, zwei Uhr britischer Sommerzeit, und ich dachte, dass fünf Stunden zum Lesen und Verdauen meines Briefes hätten ausreichen müssen, um ihre erste Reaktion abzumildern. Aber es sah nicht so aus, als ob diese Strategie aufgegangen wäre. Sie fing an zu weinen, als sie meine Stimme hörte, und sie weinte immer noch, als ich auflegte. Dazwischen stieß sie nur ein paar gestammelte Sätze hervor und sagte ständig »Oh, Alex«. Sie fragte, wo ich sei, und meinte, ich müsse nach Hause kommen, dass nichts Schlimmes passieren würde, wenn ich nur sofort nach Hause käme. Ich wusste nicht, was sie damit meinte, aber ich hatte schon vorher beschlossen, dass ich ihr nicht sagen konnte, wo ich war. Ich konnte ihr nur versichern, dass es mir gut gehe und dass ich Ende der Woche wieder zu Hause sein würde, aber diese Beteuerungen verbesserten die Lage nicht im Mindesten. Wenn überhaupt, machten sie alles nur noch schlimmer. Nachdem ich eine Weile gewartet hatte, in der Hoffnung, dass meine Mutter sich irgendwann ausgeweint hätte, fragte ich, ob ich mit Ellie sprechen könne. Aber sie hörte mich offensichtlich gar nicht.
    »Ich denke, ich sollte mit Ellie reden«, wiederholte ich. »Gibst du sie mir bitte?«
    Meine Mutter weinte einfach weiter.
    Ich legte auf. Mehr konnte ich nicht tun.
    Am Nachmittag fuhren wir über die Grenze und kamen eine Stunde später in Zürich an. Der Verkehr floss langsam; die Schweizer Stadtbewohner waren ruhige und gelassene Autofahrer, sodass ich Zeit hatte, den richtigen Weg zu finden, Straßenschilder zu lesen und mich mittels meiner mentalen Karte zu orientieren, die – das kann ich Ihnen versichern – äußerst detailliert war. Ich hatte es für sinnvoll gehalten, die Straßenkarte der gesamten Stadt auswendig zu lernen. Damit hatte ich mich im vergangenen Monat beschäftigt, hatte mich etliche Abende und Mittagspausen über den Michelin-Straßenatlas gebeugt und einige sehr lange und schwer verständliche Straßennamen geübt, wie etwa Pfingstweidstrasse und Seebahnstrasse und Alfred-Escher-Strasse. Weiterhin hatte ich etliche Abende und Mittagspausen damit verbracht, mich mit den unterschiedlichen Stadtbezirken, Kreise genannt, vertraut zu machen. Die Kreise waren nummeriert, von eins bis zwölf, und bildeten zwei verschachtelte Bögen um die nördlichste Spitze des Zürichsees. Kreis 1 – die Altstadt – war der Grundpfeiler der Bögen, und die anderen Kreise zogen sich im Uhrzeigersinn in zwei Schichten von einem Sockel zum anderen. Ich fand, das war eine sehr verlässliche, praktische Art der Stadtplanung, und aus dem, was ich im Internet in Erfahrung bringen konnte, schloss ich, dass die Schweizer insgesamt ein verlässliches, praktisch veranlagtes

Weitere Kostenlose Bücher