Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
keine Rettung, nicht wirklich. Ich weiß, es ist nicht leicht, aber das musst du begreifen. Wenn er aufwacht, wird er große Schmerzen haben, und das ist nicht die Art von Schmerz, die wieder weggeht. Er wird damit leben müssen, und zwar die ganze Zeit, die ihm noch bleibt. Davor müssen wir ihn retten.«
»Wir können ihn doch nicht einfach sterben lassen!«
Mrs. Griffith drückte meine Schulter.
Mr. Peterson schaute mich lange an. Dann sagte er: »Tut mir leid, Junge. Aber wir werden ihn sterben lassen.«
Ich fing an zu weinen. Mr. Peterson verzog keine Miene.
»Er wird nicht leiden«, sagte er zu mir. »Er wird einfach friedlich einschlafen. Das ist der einzige gute Dienst, den wir ihm noch erweisen können. Das weißt du selbst, nicht wahr?«
Eine Zeit lang sagte niemand etwas.
»Was wird danach passieren?«, fragte ich schließlich. »Nachdem er eingeschlafen ist?«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte Mr. Peterson.
»Können wir ihn beerdigen?«
»Glaubst du, das würde dir helfen?«
»Ja.«
»Okay. Dann können wir ihn beerdigen.«
Der Platz, den wir aussuchten, war so ziemlich der einzige Fleck auf Mr. Petersons Grundstück, der für ein Grab infrage kam. Es war ein großes Blumenbeet in der Nähe der westlichen Begrenzung des Gartens, hinter dem Schuppen und dem Gewächshaus. Die früheren Anwohner des Beetes waren ein paar Rosenbüsche gewesen, die vor etwa einem Jahr von einer Krankheit dahingerafft worden waren. Mr. Peterson hatte immer etwas anderes einpflanzen wollen, aber erst nach der Beerdigung setzte er sein Vorhaben in die Tat um.
Es dauerte ziemlich lange, bis das Loch ausgehoben war. Es war etwa einen Meter siebzig lang, sechzig Zentimeter breit und einen Meter tief. Das war mehr als ein Kubikmeter Erde, die ich bewegen musste – mehr oder weniger allein. Anfangs half mir Mr. Peterson, aber ich merkte, wie er sich abmühen musste, und im Übrigen war dieses Projekt meine Sache, nicht seine. Immerhin hatte ich darauf bestanden. Also erklärte ich ihm nach ein paar Minuten, dass es mir nichts ausmachen würde, das Loch allein zu graben. Es war auch nicht genug Platz für zwei Leute mit Schaufeln. Er rauchte eine seiner Marihuanazigaretten und schaute mir eine Weile zu. Dann ging er ins Haus. Ich glaube, er verstand, dass dieses Grab auszuheben etwas war, was ich allein tun musste.
Es war wie gesagt das erste Mal, dass ich dem Tod leibhaftig begegnete, nicht als einem abstrakten Konzept auf einer Tarotkarte, und das erklärt vielleicht die Intensität meiner Reaktion. Rückblickend betrachtet habe ich wohl zunehmend lächerlich gewirkt, während ich dieses Loch in Mr. Petersons ehemaliges Rosenbeet grub. Als ich fertig war, stand ich bis zur Hüfte in dem Loch, todmüde und von oben bis unten mit Dreck verschmiert. Aber damals kam ich mir überhaupt nicht lächerlich vor. Was ich tat, war wichtig. Ich wusste, dass meine Mühe nichts an den Tatsachen ändern würde, und Kurt war die ganze Angelegenheit sowieso egal, aber so ist das nun einmal mit Begräbnissen. Begräbnisse sind nicht für die Toten. Sie sind für die Lebenden.
Ich machte keine Pause. Ich ackerte ununterbrochen mit der Schaufel weiter. In dreißig Zentimetern Tiefe wurde es schwieriger. Die Erde war hier fester, es gab mehr Steine und alte Wurzeln, die ich umwälzen musste, und je weiter ich nach unten kam, desto höher musste ich die voll beladene Schaufel heben. Als ich fertig war, spürte ich jeden Muskel in meinen Armen und Beinen und in meinem Rücken, und ich hatte Blasen an beiden Händen. Aber diese körperlichen Schmerzen gaben mir trotzdem ein gutes Gefühl.
Mein Loch war ziemlich beeindruckend und sehr ordentlich gegraben. Die Ecken waren rechtwinklig – oder jedenfalls so rechtwinklig, wie ich sie nur hatte machen können. Ich dachte mir, Mr. Peterson würde sich sicherlich darüber freuen, dass es mir gelungen war, ein so ordentliches Grab zu graben. Ich hatte das Gefühl, etwas Wichtiges geleistet zu haben.
Ich ging ins Haus, rief meine Mutter an und sagte ihr, was geschehen war und dass es heute später werden würde. Dann rief ich Mrs. Griffith an und fragte sie, ob sie zur Beerdigung kommen wolle. Das schien mir angemessen. Immerhin hatte auch sie heute viel durchgemacht. Ich dachte, dass ihr die Zeremonie guttun würde, und sie war derselben Meinung. Sie sagte, sie sei gleich da.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich wohl auch ein paar Worte würde sagen müssen, ehe wir Kurt zur
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