Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
wusste ich, woran ich war. Eine lächelnde Ellie brachte mich aus dem Takt. Oft hatte ich es nur geduldiger Meditation im Lagerraum zu verdanken, dass ich keinen Anfall erlitt.
Zu diesem Zeitpunkt bekam ich meine Krankheit endlich besser in den Griff. Ich musste immer noch alle sechs Monate zu Dr. Enderby, aber nachdem ich vierzehn geworden war, erlaubte meine Mutter mir widerstrebend, diese Verabredungen allein wahrzunehmen. Es war immerhin lästig, wenn sie sich an einem Samstag freinehmen musste, um mich nach Bristol zu fahren, und Dr. Enderby meinte, er sehe keinen Grund, warum ich nicht ohne sie ins Krankenhaus kommen könne. Er fand, es war eine positive Entscheidung, weil es bedeutete, dass ich meine Situation »in die Hand« nahm. Ich fuhr mit der Linie 376, die an der Glastonbury High Street anhielt und mich zum Hauptbahnhof nach Bristol brachte, von wo aus ich noch fünf Minuten zum Krankenhaus laufen musste.
Als ich begann, allein zu diesen Terminen zu gehen, hatte ich im Durchschnitt noch einen oder zwei generalisierte Anfälle pro Monat, und Dr. Enderby bezweifelte, dass eine höhere Dosis meiner Medikamente diese Situation spürbar verbessern würde. Wir hatten festgestellt, dass meinen Anfällen klar vorhersehbare Auslöser vorangingen – Stress, Angst, Schlaflosigkeit –, und wir fanden, dass es mehr bringen würde, wenn ich weiter an meinen Strategien für »den Umgang mit Unvermeidlichem« arbeitete (kognitive Verhaltenstherapie und so weiter). Dr. Enderby war besorgt, dass ich meine Meditationsübungen zu unregelmäßig und zu spät machte, dass ich diese Techniken nur zur »Krisenbewältigung« einsetzte, während ich sie idealerweise als langfristige Präventionsmethoden betrachten sollte. Er gab mir ein Beispiel, um mir zu erklären, was schieflief.
»Es ist so, als würdest du versuchen, mitten in einem Sturm Wasser aus einem leckgeschlagenen Boot zu schöpfen«, sagte Dr. Enderby. »Das Wasser kommt aus allen Richtungen – durch die Lecks, die Wellen, den Regen –, und gleichzeitig musst du dich mit unzähligen anderen Widrigkeiten herumschlagen: dem Donner, dem Wind, dem schaukelnden Boden unter dir. Unter diesen Umständen ist es nahezu unmöglich, über Wasser zu bleiben. Du musst stattdessen dafür sorgen, dass dein Boot immer gut in Schuss ist, damit es nicht untergehen kann, wenn du in einen Sturm gerätst. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja, ich denke schon«, sagte ich. »Mein Gehirn ist das seeuntaugliche Boot, und der Sturm ist Stress oder Ärger. Und meine Meditationen sind der Hammer, die Nägel und Planken und der Teer und so weiter; damit soll ich die Lecks flicken, ehe ich segeln gehe.«
Dr. Enderby lächelte. »Stimmt. Obwohl ich dein Gehirn nicht als untauglich bezeichnen würde. Nicht direkt jedenfalls. Aber du hast das Wichtigste begriffen: Du musst deine Übungen regelmäßig machen – jeden Tag, wenn du kannst –, damit du die besten Chancen hast, nicht unterzugehen.«
Damit begann das strenge Meditationsregime – und dieses Regime ist seitdem unangefochten im Amt. In den vergangenen vier Jahren ist es mir nur ein- oder zweimal passiert, dass ich einen Tag nicht mit einer halbstündigen Meditation begonnen habe. Von Anfang an war mir klar, dass die frühen Morgenstunden sich dafür am besten eigneten, denn zu dieser Zeit war mein Kopf klar und frei von jeglicher Ablenkung. Meistens stand ich irgendwann zwischen halb sechs und sieben Uhr auf und begann sofort mit meinen Übungen. Auf Dr. Enderbys Rat hin errichtete ich mir einen kleinen »Schrein« in der Ecke meines Zimmers. Dort befanden sich eine weiche Matte und Kissen, eine Tischlampe mit drei Helligkeitsstufen und eine kleine Nische für Bücher und CDs. Während der Meditation schaltete ich keine Musik ein, weil mich das zu sehr ablenkte, aber danach hörte ich oft noch eine Viertelstunde lang CDs mit klassischer Musik, die ich mir aus der Bücherei oder von Mr. Peterson auslieh. Was die Entspannung anging, waren Chopins Nachtstücke unschlagbar.
In der Abgeschiedenheit meines Kopfes nannte ich diese neue Behandlungsmethode – aus Gründen, die ich nicht mehr erklären muss – die »Arbeit an meinem Boot«, und diese Metapher erwies sich als so passend, dass ich merkte, wie ich sie als bildliche Vorstellung in meine Meditationsübungen einbaute. Ich fing damit an, dass ich mir mein Boot in seiner perfekten Form vorstellte – ein kleines, aber tüchtiges Gefährt mit einem flachen Kiel, dessen Name (
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