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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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auch um Kinder ging, solche beispielsweise, die einer Katze die Pfoten oder den Schwanz abschneiden und sie danach lebendig begraben oder die den Schwanz eines Pferdes mit Benzin tränken und danach anzünden. Sie zünden auch Gebäude an, Schulen zum Beispiel, in denen man sie, wie sie glauben, schlecht behandelt und zu Unrecht bestraft hat, oder das Haus, in dem sie wohnen, bevor sie weglaufen, oder auch Autos auf der Straße. Sie stehlen, legen Brände und quälen, bis sie alt und stark genug sind und die Mittel dazu haben, um zu töten.
    Ihr Verdächtiger hingegen war einfach ein verdorbener, schmutziger alter Mann, wie es sie zu Hunderten gibt. Es gab keinen Zusammenhang zwischen ihm und all den jungen Männern auf den Fotos, die Bacci ihnen gezeigt hatte.
    Einige davon waren halb wahnsinnige, bedauernswerte Menschen, andere wieder waren furchteinflößende, kaltblütige junge Männer, die lachten, als man sie ins Gerichtsgebäude führte, vollkommen isoliert vom Rest der Menschheit, den sie verachteten und verhöhnten. Ausnahmslos alle jedoch waren jung, ausnahmslos alle stammten aus armen Familien, bei ausnahmslos allen war das Gefühlsleben verkümmert. Die große Mehrheit von ihnen war aus reiner Willkür geschlagen worden, bis ihr Hirn irreparable Schäden davongetragen hatte, und sie hatten Hunger und Gewalt am eigenen Leib erfahren. Einige von ihnen waren von den eigenen Müttern gequält worden, waren gezwungen worden, zuzusehen, wie diese der Prostitution nachgingen. Andere waren schon als kleine Kinder Waisen geworden und in die Obhut von Menschen geraten, die sie verachteten und mißhandelten.
    Die Bandbreite ihrer Verbrechen, die zerfetzten und verstümmelten Körper, das rohe Fleisch Toter, das sie gegessen, an dem sie sich vergangen oder mit dem sie ihre Zimmer ›geschmückt‹ hatten, all das war erschreckend. Doch mindestens ebenso erschreckend war die Bandbreite der Leiden, denen sie selbst ausgesetzt gewesen waren, ein so dunkles und erbarmungslos Böses, daß sie es zuletzt vorzogen, selbst zu töten, anstatt weiterhin Opfer zu bleiben.
    Und der Verdächtige war ein schmutziger alter Mann. Er hatte seinen Rivalen getötet, ja sogar auf brutale Weise getötet. Wie jedoch paßte dies zur Tötung vollkommen Fremder und zum Herausschneiden von Teilen aus deren totem Körper? Der Maresciallo konnte hier keinen Zusammenhang erkennen, und er wollte sich auch nicht bemühen, einen zu finden. Und was die Sache mit der Tochter anging, die war alles andere als klar. Wieviel Information mochte man ihnen auch in diesem Fall vorenthalten haben?
    Aufgewühlt und verwirrt, wie er war, fuhr er an dem kleinen Ort Signa vorbei und mußte daher wenden. Vor einer Bar auf dem Platz befand sich eine kleine Parkfläche, und hier hielt er an, stieg aus und sah zu dem Kino auf der anderen Straßenseite hinüber.
    GARTE K NO
    Die Fassade des Hauses war schmal und niedrig, und dahinter sah man die Wipfel der an der Rückseite stehenden Bäume. In mehr als zwanzig Jahren waren sie um einiges gewachsen. Von den Türen blätterte die Farbe ab, und eine Holzbohle war quer darüber genagelt. Das G von Garten hing so schief, daß es dem bereits heruntergefallenen N sicher bald nachfolgte. Das Gebäude wirkte so trist und verloren, daß man meinte, seine Schließung sei eine Folge des Mordes in jener Nacht, es sei aufgegeben worden, weil dort ein böser Geist sein Unwesen trieb.
    »Wir sind ins Kino gegangen, und da war Krieg, da hat ein Haus gebrannt, und dann sind wir weitergefahren, am Friedhof vorbei.«
    Der restliche Teil des kleinen Platzes wirkte freundlicher und war belebt, so daß das verfallene Kino aussah wie ein schlechter Zahn in einem gesunden, lächelnden Mund.
    Der Maresciallo trat in die Bar ein und bestellte sich einen Kaffee. Es war ein sauberes helles Lokal mit Regalen voller Pralinenschachteln und eleganten Spirituosenflaschen. Zwei kleine Tische waren mit rosa Tischdecken gedeckt, und an einem der Tische saß ein Mann in einem grünen Lodenmantel und las die Lokalzeitung. »Ihr Kaffee.«
    »Danke. Sie wissen nicht zufällig, wann das Kino da drüben geschlossen wurde?«
    »Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Jedenfalls vor meiner Zeit, und ich hab die Bar hier vor fünf oder sechs Jahren übernommen. Fragen Sie doch mal Franco hier. Franco? Du weißt doch bestimmt, wann das Gartenkino zugemacht hat, du bist doch länger hier als ich.«
    »Ich bin hier geboren. Das genaue Jahr kann ich Ihnen aber auch

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