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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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nicht sagen, zumindest könnte ich es nicht beschwören, aber das muß gut zehn Jahre her sein. Sind nicht mehr allzu viele Leute hingegangen, seit sie das größere Freilichtkino beim Supermarkt gebaut haben, und das beim Kommunistischen Club gab's ja auch noch. Ich kenne die Besitzerin des Grundstücks, wenn es das ist, worauf Sie hinauswollen, aber sie ist über achtzig, und ich glaube nicht, daß sie verkaufen will.«
    »Nein, nein, ich frage nur aus Neugier.«
    Er erwartete zwar nicht, daß man ihm glaubte, aber das war nicht wichtig. Wichtig war, daß er keine Uniform trug. Er hatte nicht die Absicht, den lokalen Polizeibehörden einen Besuch abzustatten. Ihm schien, daß die Leute, die überhaupt etwas von der Sache wußten, sich schon längst auf die eine oder andere Seite geschlagen hatten und daß die Carabinieri klar auf Romolas Seite waren, was jedoch nicht hieß, daß sie Interesse daran hatten, dem Büro des Staatsanwalts in die Quere zu kommen.
    Was ihn selbst dazu trieb, wußte er auch nicht genau. Er hatte es sich nicht ausgesucht, einen Verdächtigen zu verfolgen, den er selbst gar nicht verdächtigte, und vermutlich irritierte ihn das und veranlaßte ihn dazu, sich abseits des ganzen Spektakels mit etwas Konkretem zu befassen. Wie dem blutbefleckten Lappen. Die Carabinieri hatten ihn in einer flachen Strohtasche gefunden, die unter Decken in einem Schrank versteckt war. Zwei Stücke sauberes, mit gelben Blumen bedrucktes Leinen und dazwischen ein drittes mit den roten und grauen Flecken. Silvano hatte danebengestanden und nicht mit der Wimper gezuckt. Als sie ihn anschließend aufgefordert hatten, sich zu Blut und Pulverspuren zu äußern, meinte er unbeteiligt: »Da weiß ich gar nichts drüber. Die Tasche hab ich noch nie gesehen, aber ich nehme an, eine Frau hat sie hier vergessen – vielleicht die Frau, mit der ich zusammengelebt habe. Wenn Sie sagen, es ist Blut, dann ist es Blut – aber Pulverspuren können keine dran sein.«
    Was für ein Unsinn. Entweder er wußte etwas über die Tasche oder nicht. Deshalb hatte Romola ihn verhaften wollen, und das Büro des Staatsanwalts hatte es abgelehnt. Romola hatte gefordert, das Stück Stoff nach England zu schicken, wo man inzwischen in der Lage war, DNA-Tests durchzuführen. Das Büro des Staatsanwalts hatte abgelehnt. Das Stück Stoff wurde statt dessen zu weiteren Untersuchungen nach Rom geschickt, und der Laborbericht wurde letztendlich im Dezember 1987 angefertigt, drei Jahre und fünf Monate nach dem Auffinden des Lappens. Darin hieß es, die Probe sei zu alt, um wesentliche Schlüsse daraus ziehen zu können.
    In seiner Verzweiflung war es Romola gelungen, Silvano wegen des Mordes an seiner ersten Frau verhaften zu lassen, und man hatte ihn ins Gefängnis gebracht, um ihn auf Sardinien vor Gericht stellen zu können. Auch in diesem Fall war das Beweismaterial zu alt. Silvano wurde freigesprochen. Gleich darauf wurde er zum Ermittlungsrichter nach Florenz vorgeladen, um Fragen bezüglich einer bestimmten Beretta 22 zu beantworten. Aber Silvano hatte das Land bereits verlassen. Danach hörten die Morde auf.
    Der Maresciallo bezahlte seinen Kaffee und stieg wieder ins Auto. Irgendwie war ihm wohler zumute, da er nun mit eigenen Augen das verfallene Kino gesehen hatte, wo die ganze Geschichte in der schwülen, pechschwarzen Nacht des 22. August 1968 begonnen hatte.
    Obwohl es nicht leicht war – und gerade jetzt –, sich die Hitze vorzustellen. Ein eisiger Wind, so kalt, daß einem die Ohren abfrieren konnten, blies durch die Straßen. Der Maresciallo startete den Motor und ließ ihn warmlaufen, während er seine Notizen und die grobe Skizze, die Lorenzini für ihn gezeichnet hatte, aus der Tasche zog. Er beschloß, in derselben Reihenfolge vorzugehen wie die seinerzeit zum Tatort gerufenen Beamten. Er würde die Strecke, auf der er gekommen war, ein kurzes Stück zurück und dann auf der Straße nach Pistoia bis zu Rossinis Haus fahren.
    Es war eine lange, gerade Straße, und der Verkehr bewegte sich flüssig. Die Straße ähnelte der, auf welcher er Florenz verlassen hatte; sie führte durch eine verschlafen wirkende ländliche Gegend, in der sich die hier und da verstreuten neuen Gebäude ausnahmen wie ein Ausschlag. So langsam zu fahren, daß er die Hausnummern lesen konnte, war nicht möglich – als er es probierte, löste er ein zorniges Hupkonzert aus. Wieder fuhr er über die markierte Stelle hinaus und mußte umkehren. Na schön.

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