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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Sie stellen mir ja keine Fragen, Sie kommen mir mit lauter Lügen.«
    Simonetti warf dem Anwalt des Verdächtigen einen Blick zu, und dieser legte seinem Klienten begütigend die Hand auf die Schulter und redete hektisch flüsternd auf ihn ein.
    »Nein, ich kann nicht. Ich kann ihm nicht zuhören. Er will mich ans Kreuz nageln. Wie soll ich da ruhig bleiben?«
    »Die beiden jungen Leute, um die es hier geht, wohnten in der Nähe Ihres Dorfes und wußten schon, wie Sie aussehen, bevor wir ihnen Ihr Foto zeigten. Sie lagen auf der Motorhaube des Wagens, und als die beiden ihre Aktivitäten beendet hatten und als der junge Mann hochschaute, sah er Ihr Gesicht, das durch die Scheibe hindurchstarrte. Zwei weitere Zeugen, die in einer Samstagnacht im Juli desselben Jahres mit dem Auto im Gebiet von San Casciano parkten, sahen Sie in der Nähe ihres Wagens mit einem metallischen Gegenstand in der Hand, der nach Angabe der Zeugen eine Waffe gewesen sein soll. Sie starteten den Wagen und fuhren sofort weg. Das dritte Paar, das einen Spaziergang unternahm, sah Sie am hellichten Tage. Sie standen vor einer Hecke, durch welche Sie auf ein Feld schauten, auf eine Lichtung, die nachts oft von Liebespaaren aufgesucht wird. Ihr Motorroller, der uns als grau mit zerrissenem Sattel beschrieben wurde, mit einer verbogenen Speiche, die neben dem Rad heraussteht, lehnte an dem Tor zu dem Feld.«
    »Das ist eine Lüge! Ich habe keinen grauen Motorroller, ich habe nie einen grauen Motorroller gehabt.«
    »Sie besitzen einen Motorroller mit einem beschädigten Sattel.«
    »Aber der ist rot.«
    »Bitte sprechen Sie leiser. Wir haben uns Ihren Motorroller angesehen und eine kleine Farbprobe davon genommen. Damit ließen sich Spuren weiterer früherer Farbschichten nachweisen, grau zum Beispiel.«
    »Ich habe ihn gebraucht gekauft, und da war er rot. Sie können den Mechaniker im Dorf fragen. Von dem hab ich ihn gekauft.«
    »Den Mechaniker haben wir bereits befragt. Er war sich nicht sicher, welche Farbe der Motorroller hatte, als er ihn an Sie verkauft hat. Er hält es für möglich, daß Sie ihn rot gespritzt haben.«
    »Der Mistkerl – er lügt. Er will mich anschwärzen, weil ich mit ein paar Teilen ein gutes Geschäft gemacht hab, die er…«
    »Bitte antworten Sie auf meine Fragen und unterlassen Sie alle sonstigen Kommentare. Und vergessen Sie nicht, daß wir auch schon mit allen anderen aus der Bande der Voyeure gesprochen haben.«
    »Ich bin kein Voyeur, und was anderes werden die Ihnen auch nicht sagen.«
    Das stimmte, dachte der Maresciallo, der diese Szene mit Ferrini und zwei anderen Polizisten schweigend beobachtete. Sie hatten noch nicht alle Mitglieder der Bande befragt, nur zwei, die jedoch nichts zugegeben hatten. Der erste der beiden, ein vor Angst schlotterndes Individuum, war noch nicht ganz zur Tür hereingetreten, als er schon lossprudelte.
    »Ich hab manchmal mit ihm zusammen gegessen. Das ist alles. Ich kenne ihn kaum. Er ist nicht mal mein Freund. Wir haben in der Bar einen Kaffee getrunken, ein Sandwich gegessen, wie man es eben so macht. Bloß weil wir beide zur gleichen Zeit dort waren…«
    »Bitte setzen Sie sich und nennen Sie uns Ihren vollen Namen und Ihre Anschrift.«
    »Was?«
    »Setzen Sie sich und halten Sie den Mund. Wir haben Sie doch noch gar nichts gefragt.«
    Doch der Mann, der um die sechzig sein mochte, war so verängstigt, daß er sich zwar auf einen Stuhl schieben ließ, aber kein Wort der Carabinieri vernahm, geschweige denn verstand. Er schaute die Männer reihum mit blicklosen Augen an und sagte immer wieder: »Bloß was gegessen, das ist alles. Ich bin nie mit ihm irgendwohin mitgegangen. Ich kenne ihn ja kaum. Wir haben einen Kaffee getrunken und ein Sandwich gegessen.«
    Der zweite hatte seine sieben Sinne besser beieinander gehabt, aber eine ähnliche Geschichte erzählt.
    Aber warum? Das konnte der Maresciallo nicht begreifen, als er sah, wie das Gesicht des Verdächtigen sich verzog und die Tränen zu fließen begannen. Alles zu leugnen war natürlich das Übliche bei Männern wie dem Verdächtigen und seinen Freunden, und auf den ersten Blick wirkte das ja auch nur logisch. Das Ungeheuer war ein Voyeur, ergo leugne, ein Voyeur zu sein. Der Verdächtige wurde beschuldigt, ergo leugne, den Verdächtigen zu kennen. Es war nur natürlich, daß diese Männer Angst hatten. Irgend etwas aber stimmte nicht. Denn wenn man bedachte, bis zu welchem Punkt die Dinge gediehen waren, wäre es doch

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