Das Ungeheuer von Florenz
Migräne, seitdem aber ständig. Soll ich in Ihr Büro kommen?«
»Nein, ich schaue nach, wo sich die Klinik befindet. Ich bin vor elf Uhr da. Wenn Sie herauskommen, werden Sie ein Auto sehen, das auf Sie wartet.«
»Ein Polizeiauto? Sind Sie bei den Carabinieri?«
»Ja. Aber ich komme mit meinem eigenen Wagen. Wenn Sie vielleicht einfach, wenn Sie herauskommen, für einen Moment still stehenbleiben, dann erkenne ich Sie schon. Vielen Dank für das Gespräch.«
Er legte auf.
6. Der Leichnam von Margherita Vargius wurde im Schlafzimmer gefunden. Der Gaskanister aus der Küche stand mit angeschlossenem Schlauch und geöffnetem Hahn neben dem Bett. Der Schlauch lag auf dem Kopfkissen. Die Aussagen von Zeugen differieren in einem Punkt: ob der Leichnam auf dem Bett oder auf dem Boden daneben lag. Die Tote war bis auf ein Paar Schlüpfer unbekleidet. Auf dem Magen der Toten befand sich ein Fleck einer weißlichen Flüssigkeit, zwischen den Beinen war Blut, eine Quetschwunde in Form eines Daumenabdrucks befand sich links neben der Kehle, und das Gesicht wies mehrere Kratzspuren auf. Das kleine Kind stand in seinem Gitterbett und schrie.
Silvano. Der Maresciallo, der allein in seinem Büro saß und wie immer auf die Karte an der gegenüberliegenden Wand starrte, ohne sie jedoch zu sehen, wälzte das Problem Silvano nun schon eine ganze Weile hin und her.
Di Maira war ein guter, ein geachteter Kriminalist, und dies zu Recht. Und nicht nur das, er hatte alle diese Menschen von Angesicht zu Angesicht gesehen und mit ihnen gesprochen.
Er ist es. Er ist es.
Er war ein Mörder, er hatte perverse sexuelle Neigungen – ein an den Bericht angefügter Aktenteil mit Beweisfotos enthielt einen haarsträubenden Katalog von Sex-Zubehör und pornographischen Comics. In einem von Di Maira abgezeichneten Aktenvermerk war notiert, daß Silvano als Folge der heftigen Schläge auf den Kopf, die er im Alter von zehn Jahren vom Vater erhalten hatte, auf dem rechten Ohr ertaubt sei und daher stets von links vernommen werden müsse.
Silvano… Bei den Unterlagen, die Di Maira dem Maresciallo übergeben hatte, befand sich die Fotokopie eines medizinischen Befunds, der im April 1981 in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses von Florenz erstellt worden war.
Der Patient ist tief verängstigt und leidet an einer akuten Depression. Auf Befragen gibt er an, derzeit keine besonderen Schwierigkeiten in Gelddingen oder bei seiner Arbeit zu haben. Allerdings habe er sich kürzlich von seiner Frau getrennt, dies sehe er aber nicht als Ursache seines Problems an. Er sei nicht antriebslos – er habe im Gegenteil ständig neue Pläne und Ideen für seine kleine Firma. Auf die Frage, ob er andere Gründe habe, sich zu sorgen, antwortet er: »Das eigentliche Problem ist der Junge.«
Er ist nicht bereit, diese Bemerkung weiter auszuführen, und auch generell nicht besonders mitteilsam, obwohl sich der Patient auf eigenen Wunsch hier befindet.
Patient verließ das Krankenbaus nach 10 Tagen.
Das Blatt war mit dem Datum und der Unterschrift eines Arztes versehen.
Den Büchern zufolge, die auf dem Schreibtisch des Maresciallo lagen, war Silvano zu alt, zu dominierend und zu erfolgreich im Durchsetzen seiner Ziele. Doch welches Wissen konnte der Maresciallo schon aufbieten, um ernstlich allgemeine Informationen aus diesen ausländischen Büchern gegen die unmittelbare Erfahrung eines Mannes wie Di Maira abzuwägen?
Was, wenn man es genauer betrachtete, wußten sie alle, Di Maira eingeschlossen, über diesen Verbrechenstyp? Die Tageszeitungen mit den neuesten Artikeln über den Verdächtigen lagen auf dem Schreibtisch des Maresciallo. War das nicht genau die gleiche Geschichte? Ein Mörder, ein Perverser… Er ist es, er ist es!
Warum sollte Silvano seine zweite Frau nicht ebenso ermordet haben, wie er seine erste und danach Belinda ermordet hatte? Er wurde älter, aus dem Grund. Seine Brutalität nahm ab und nicht zu.
Wenn nur Ferrini… Das Telefon läutete.
»Salvatore, alter Junge! Wie geht's, alles in Ordnung?«
»Ferrini!«
»Haben Sie jemand anderen erwartet?«
»Ich – nein, nein!«
»Hören Sie, ich habe einen kleinen Schatz an Land gezogen. Leider kann ich aber heute abend nicht weg, es kommen Leute zum Essen – kommen Sie doch auch, wenn Sie wollen, bloß fürchte ich, reden werden wir nicht können.«
»Ja, ich versteh schon, aber ich bin ein wenig übermüdet…«
»Morgen kann ich nicht… dann eben übermorgen abend.
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