Das Ungeheuer von Florenz
zu haben, einer solchen Bemerkung noch eine Achtungsbezeugung nachzuschicken. »Es ist ganz gut, wenn man sich so etwas nicht zu sehr zu Herzen nimmt, sondern nur seine Arbeit macht.«
»Das habe ich auch vor. Wirklich.«
Bacci fixierte den Maresciallo mit ernstem Blick. »Ich habe mir eine Menge Bücher besorgt, alles englische und amerikanische. Als erstes lese ich mal alle Fallgeschichten, die ich kriegen kann, durch. Von uns kennt sich ja niemand bei solchen Verbrechen aus.«
Bacci der Musterschüler. Er hatte sich seit seinem achtzehnten Lebensjahr nicht viel verändert.
Die Rückkehr Simonettis und der anderen Männer ersparte es dem Maresciallo, eine Bemerkung zu der Idee zu machen, in Buchläden dem Ungeheuer auf die Spur zu kommen.
Der Verdächtige war ruhiger, als er wieder hereingeführt wurde, doch sein Gesicht war immer noch rot, und seine Stirn war von tiefen Falten durchzogen. Er sah sich mehrmals um, als hoffte er, irgendwo einen Fluchtweg zu erkennen. Diesmal ließ er seine Stimme gesenkt und sprach, vermutlich auf strikte Anweisung seines Anwalts hin, die ganze Zeit über in einem gekränkten, jammernden Tonfall.
»Es stimmt nicht, daß ich ein Spanner bin, ich bin noch nie ein Spanner gewesen. Für so etwas hab ich doch gar keine Zeit. Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt durch Arbeit, ich hab mein ganzes Leben lang wie ein Sklave geschuftet. Alles, was ich besitze, hab ich mir im Schweiße meines Angesichts erarbeitet; jede Woche hab ich was beiseite gelegt, wie man es mir beigebracht hat. Glauben Sie etwa, ich hätte Zeit, abends durch die Gegend zu schleichen, wenn ich mich den ganzen Tag lang abgerackert habe? Ich bin krank, die Ärzte können Ihnen das bestätigen, ein Kranker bin ich, kein Spanner. Mir spielt da jemand einen ganz hundsgemeinen Streich, und wer behauptet, ich sei ein Spanner, lügt und will mir damit was anhängen.«
Die Tränen liefen ihm wieder übers Gesicht, obwohl er nicht so laut schluchzte wie zuvor. Sein Kopf sackte mal nach links und mal nach rechts, und ohne es zu merken, ballte er die auf seinen Knien liegenden Hände immer wieder zu Fäusten.
»Wer guckt denn anderen Leuten dabei zu? Wer daran Spaß hat, ist doch krank. Ich bin ein normaler verheirateter Mann.«
»Ein normaler verheirateter Mann?« wiederholte Simonetti. »Wer hat denn seine eigene Tochter vergewaltigt? Als sie vorhin sagten, sie seien ein kranker Mann, klang das überzeugender.«
»Er dreht mir die Worte im Mund um!« wimmerte der Verdächtige, während er mit anklagender Geste auf seinen Peiniger wies und die anderen Männer flehentlich ansah. »Er ist schlau und will mich armen dummen Bauer reinlegen.« Er begann wieder zu weinen.
»Nein, nein«, beschwichtigte der Anwalt und faßte seinen Mandanten unbeholfen bei den Schultern, um einen weiteren heftigen Ausbruch zu verhindern. Doch bevor es überhaupt dazu kommen konnte, entstand Unruhe am Publikumseingang.
»Was ist denn!« rief Simonetti verärgert und spähte mit zusammengekniffenen Augen in das Dunkel.
Der Wachmann steckte den Kopf vor. »Verzeihen Sie, Signore.«
Er verschwand wieder.
»Das werden wir gleich erledigen.«
Simonetti stieg polternd die Stufen der Plattform hinab und schritt durch den Raum.
»Ach nein«, flüsterte Ferrini dem Maresciallo ins Ohr, »Journalisten. Was für eine Überraschung.«
Der Maresciallo erwiderte nichts und dachte, daß Simonetti auch für ihn zu schlau war und daß er ruhig die Presse manipulieren solle, wenn ihm daran so viel lag.
Ein Fotograf kam allein in den Raum gewandert und marschierte auf die Plattform zu. Ergo mußte Simonetti ihn hereingelassen haben. Sonst kam niemand, und man hörte vor der Tür ein Hin und Her erregter Stimmen. Es sah Simonetti gar nicht ähnlich, so viel Zeit zu vergeuden, aber vielleicht hatte er wirklich schon vorher gewußt, daß etwas Ähnliches passieren würde… Der Maresciallo sah in den dunklen Raum hinunter und fragte sich nach dem Grund für diese Unterbrechung, hörte mit einem Ohr auf den Lärm vor der Tür und mit dem anderen auf das Geflüster des Anwalts, der hektisch auf seinen schniefenden Mandanten einredete, als das erste Blitzlicht zuckte.
»Du Mistkerl!« schrie der Verdächtige und sprang vom Stuhl hoch, der nach hinten umkippte. »Du hast kein Recht, das zu tun! Du hast kein Recht!«
Er erhob die Faust und ging mit wutverzerrtem, dunkelrotem Gesicht auf den Fotografen los, wobei sich der Umriß seiner Gestalt drohend auf dem
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