Das Ungeheuer von Florenz
hatte sie gebracht. Sie hat gesagt, ich würde nicht genug essen, und hat meine Mama ausgeschimpft, weil wir so viele Hühner hatten und sie mir nie Eier oder Huhn zu essen gegeben hat.«
»Warum denn nicht?«
»Sie waren zum Verkaufen, nicht für uns zum Essen, deshalb hat die Contessa uns ein Dutzend Eier gebracht, und Mama hat uns Tagliatelle gemacht. Er dachte, das wären seine Eier und sie hätte sie stibitzt, deshalb hat er mit der Axt nach ihr geworfen.«
»Hat die Contessa Ihnen noch andere Male etwas gebracht?«
»Ja. Viele Sachen, aber meine Mama hat sie nie angenommen.«
»Weil sie zu große Angst hatte?«
»Ja.«
»Wie lange hat Ihr Vater von Ihnen verlangt, zu ihm ins Bett zu kommen?«
»Bis ich ungefähr neunzehn war. Dann bin ich von zu Hause weggegangen und hab in der Wohnung gewohnt.«
»Signorina, Sie müssen entschuldigen, daß ich Sie das frage, denn ich weiß ja, wie unangenehm das für Sie ist, aber es ist sehr wichtig, daß diese Leute hier heute verstehen, wie Ihr Vater Sie behandelt hat, als Sie klein waren. Verstehen Sie das?«
»Ich glaub schon…«
»Damit es für Sie nicht so peinlich ist, können Sie einfach mit Ja oder Nein antworten, wenn Sie wollen.«
Da sein letzter Versuch damit mißlungen war, machte er es ihr diesmal leicht.
»Hat Ihr Vater, als er Sie zwang, mit ihm ins Bett zu gehen, irgendwelche Gegenstände in Sie hineingesteckt?«
»Er… er hat…«
Ihr Gesicht wurde flammend rot, und sie preßte die Schenkel zusammen, versucht sogar jetzt noch, sich dagegen zu wehren. »Eine Gurke.«
»Danke. Wissen Sie, was ein Vibrator ist?«
»Ja. Ein ›Gummiding‹ auch. Er hat mich gezwungen, das ›Gummiding‹ zu nehmen. Er hat gesagt, wenn er mich weggehen läßt, würde ich es mit jedem machen und schwanger werden. Bei ihm wäre es sicherer für mich.«
»Erzählen Sie mir von dem Vibrator.«
»Er hat mich gezwungen, ihn reinzustecken.«
»Bei Ihnen?«
»Manchmal. Manchmal auch bei ihm. Damit kann man nicht schwanger werden.«
»Sie sind nie schwanger gewesen?«
»Nein. Das eine Mal, als ich über die Zeit war, war das bloß, weil es mir nicht so gut ging.«
»Aber Sie mußten sich im Krankenhaus untersuchen lassen, ist das richtig?«
»Ja.«
»Und Sie wußten, daß man Sie fragen würde, ob Sie schwanger sind?«
»Er hat gesagt, daß sie mich das fragen würden. Er hat gesagt, ich brauchte ihnen nicht zu sagen, daß er mich anfaßt. Ich sollte sagen, ich wäre mit Jungs zusammengewesen.«
»Aber das waren Sie nicht?«
»Nein. So etwas mache ich nicht, wegen Pater Damiani. Pater Damiani…«
»Natürlich nicht. Ich weiß, daß Sie eine gute Katholikin sind und jeden Sonntag in die Kirche gehen.«
»Bevor ich ins Krankenhaus mußte, bin ich jeden Morgen hingegangen.«
»Jetzt möchte ich gern zu etwas anderem kommen. Sie können weiter mit Ja oder Nein antworten, wenn Ihnen das lieber ist. Sind diese Dinge mit Ihrem Vater manchmal auch außer Haus passiert, im Auto zum Beispiel?«
Sie öffnete den Mund, aber es kam nur ein leises Stöhnen hervor. Die Füße begannen wie wild zu zucken.
»Lassen Sie sich Zeit.«
Noch einmal ein leises Stöhnen. Ihr Atem wurde hörbar. Noch immer konnte man meinen, ihre Augen hinter den dicken Brillengläsern seien blind, so ausdruckslos wirkten sie.
»Signorina?«
Warum ließ er sie nicht endlich in Frieden? Begriff er denn nicht, daß er jedesmal, wenn er ihr Schweigen unterbrach, seine Dauer verdoppelte?
Nach einem weiteren langen Warten machte sie einen neuen Versuch, der in einem Wimmern endete. Beim nächsten Anlauf brachte sie »im Auto« heraus.
»Er ist mit Ihnen im Auto weggefahren? Und Ihre Mutter?«
»Mit uns beiden.«
»Ist er mit Ihnen in den Wald gefahren?«
»Ja.«
»Nachts?«
Ungefähre Bestätigung. Ein leises Geräusch, ein Nicken.
»Können Sie uns erzählen, was geschah, als er mit Ihnen beiden in den Wald gefahren ist?«
Ihrem Wimmern konnte man nun gar nichts mehr entnehmen. Nichts deutete mehr darauf hin, ob sie etwas bestätigte oder verneinte. Dann waren auch diese Geräusche nicht mehr zu hören. Sie verfiel in vollkommenes Schweigen. Nur ihre Füße bewegten sich noch, und über ihrer Oberlippe sammelten sich ein paar kleine Schweißtröpfchen. Ihre Furcht war in dem Raum deutlich zu spüren. Der Maresciallo erkannte sie, roch sie. Ein ganz bestimmter Schweißgeruch, der sich für ihn mit dem Gefängnis und mit bestimmten Augenblicken vor einer Festnahme verband. Und mit der
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