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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Irrenanstalt. Er hatte versucht, sich zu erinnern, wo er diesen Geruch schon wahrgenommen hatte. Es war in der Irrenanstalt gewesen.
    »Sie ist nicht ganz richtig im Kopf, und das ist ja auch kein Wunder…«
    Der Barmann von Pontino hatte das gesagt.
    »Eine von Ihnen befand sich mit ihm in dem geparkten Auto, und die andere mußte aussteigen? Oder stieg er manchmal aus? Was war der Grund dafür? Weil jemand aufpassen mußte? Hat er verlangt, daß Sie Ihre Sachen ausziehen?«
    Es hatte keinen Zweck, auf diese Weise weiterzumachen. Warum gab er nicht auf? Sie war doch völlig gelähmt vor Furcht. Wie hatte sie das nur fertiggebracht? Familien wie die ihre betrachteten, obwohl sie selbst keine Kriminellen waren, die Polizei als Bedrohung und nicht als Schutz. Was mochte über diese verängstigte, verstörte junge Frau gekommen sein, was mochte sie veranlaßt haben, eines Morgens, Jahre, nachdem das alles passiert war, aufzustehen, zur Polizei zu gehen und diese Geschichte zu erzählen, die sie kaum über die Lippen brachte? Der Maresciallo konnte sich nicht vorstellen, wie sie das fertiggebracht hatte. Und doch hatte sie es getan. Und daß sie nicht zu dem Maresciallo der Carabinieri in ihrem Ort gegangen war, konnte er auch nicht verstehen, denn der war doch für sie kein Fremder, sie sah ihn ständig: in der Bar, beim Einkaufen, wenn er mit jemandem auf dem Gemüsemarkt am Dorfplatz plauderte. Zu ihm, so jedenfalls hätte man es erwartet, hätte sie doch gehen können – gut, vielleicht hatte sie das ja auch getan, und dann hatte die Sache ihren Lauf genommen.
    »Er hat pornographische Zeitschriften mitgenommen, nicht wahr? – Können Sie uns darüber etwas sagen? – Können Sie mit Ja oder Nein antworten? – Er hat Ihnen die Abbildungen gezeigt und gesagt, Sie sollen das tun, was darauf zu sehen war?«
    Wenn sie so große Angst vor ihrem Vater hatte, warum hatte sie dann all dies in die Wege geleitet? Vielleicht… vielleicht fürchtete sie sich vor etwas anderem noch mehr, und das hatte sie dazu gebracht. Hatte sie etwas gesehen? Sie wohnte nicht mehr bei ihren Eltern, sondern in der kleinen Wohnung am Dorfplatz.
    Sie atmete heftig. Ihr Körper würde nicht mehr lange in seiner Starre verharren können – die Hände, die den Stuhlsitz umklammerten, hatten ihren Griff seit Beginn der Befragung nicht gelockert.
    »Sie haben sozusagen die Abbildungen in diesen Zeitschriften nachgespielt? – Nur im Auto oder auch auf dem Waldboden?«
    Immer noch nichts. Irgendwann mußte er aufgeben.
    Wenn er nun zwei Leute ermordet, ihre Körper weggeschleift hatte… So blutbefleckt mußte er gar nicht sein, denn der Großteil der Stichwunden war den Opfern ja erst post mortem beigebracht worden, und er hatte sich in dem Bach, der ganz in der Nähe war, waschen können. Und trotzdem… Auch diese Überlegung brachte ihn nicht weiter. Aber vielleicht hatte sie Angst vor etwas, was sie noch unmittelbarer bedrohte. Der Maresciallo dachte an den Verdächtigen, stellte sich vor, wie dieser mit einer Pistole, blutbeschmierter Kleidung und einer Tasche nach Hause kam, in der… »Einmal hat meine Mama gesagt, er soll aufhören, und er hat gesagt, sie soll den Mund halten.«
    Wenn sich die Reaktion seiner Frau auf die Vergewaltigung ihrer neunjährigen Tochter darin erschöpfte, war es wenig wahrscheinlich, daß sie ihm große Schwierigkeiten gemacht hatte. Er stellte sich die gleiche Szene in der Wohnung des Mädchens vor. Es war denkbar, aber irgendwie weniger plausibel, direkt am Dorfplatz und an einem Samstagabend zu nicht allzu später Stunde. Man konnte natürlich nicht wissen, was er mit seinen Trophäen tat. Es war überhaupt unmöglich, vernünftige Schlüsse über einen Menschen zu ziehen, dessen Obsession sich dem Verstehen entzog.
    »Ich wollte nicht ins Gefängnis kommen, deshalb…«
    Hatte sie Angst davor, als Komplizin angesehen zu werden, wenn sie ihn nicht verriet? Nur genau das hatte sie eben nicht getan. Sie war zur Polizei gegangen und hatte erzählt, daß er sie mißbraucht hatte. Sie meinte vielleicht, das würde ihn ins Kittchen bringen und sie wäre das Problem vorübergehend los. Er sah sie sich nochmals an, konnte aber nicht glauben, daß es so gewesen war – und zwar deshalb nicht, weil sie nicht so aussah, als sei sie zu etwas derartig Ausgeklügeltem fähig. Und wenn man davon ausging, daß sie ihn instinktiv angeklagt hatte, warum hatte sie so lange für die Anzeige gebraucht? Als sie auf dem

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