Das Ungeheuer
NGF-Projekt ein uneingeschränkter Erfolg ist.«
Marsha schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht glauben, daß Victor so kurzsichtig zu sein vermochte. »Was genau glaubst du eigentlich da mit VJ und deinen Mutationen und Genmanipulationen geschaffen zu haben?«
»Ein durch und durch normales Kind mit überragender Intelligenz«, sagte Victor ohne Zögern.
»Und was noch?«
»Was meinst du mit >was noch«
»Wie steht es mit der Persönlichkeit dieses Wesens?«
»Dieses Wesens?« Victor sah sie verblüfft an. »Du sprichst hier von VJ, unserem Sohn!«
»Also, was ist mit seiner Persönlichkeit?« wiederholte Marsha.
»Ach, zum Teufel mit deiner Persönlichkeit!« fuhr Victor sie an. »Das Kind ist ein Genie. Es hat bereits bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen gemacht. Was soll's also, wenn der Junge ein paar kleine Macken hat? Die haben wir alle.«
»Du hast ein Monstrum geschaffen«, sagte Marsha leise mit brüchiger Stimme. Sie biß sich auf die Lippe. Warum konnte sie ihre Tränen nicht unterdrücken? »Du hast ein Monstrum geschaffen, und das werde ich dir niemals verzeihen.«
»Jetzt mach aber mal einen Punkt!« rief Victor aufgebracht.
»VJ ist ein Sonderling«, fuhr Marsha unbeirrt fort. »Seine Intelligenz hat ihn zum Außenseiter, hat ihn einsam gemacht. Offenbar ist ihm das bewußt geworden, als er drei Jahre alt war. Seine Intelligenz steht so himmelweit über der jedes anderen, daß die normalen sozialen Hemmschwellen bei ihm quasi außer Kraft gesetzt sind. Seine Intelligenz hat ihn außerhalb aller gesellschaftlichen, aller menschlichen Normen gestellt.«
»Bist du jetzt fertig?« fragte Victor barsch.
»Nein, noch nicht!« schrie Marsha, und ihr Kummer schlug unvermittelt in Zorn um. »Was hat es mit dem Tod dieser Kinder auf sich, die das gleiche Gen wie VJ hatten? Weshalb sind sie gestorben?«
»Warum bringst du das jetzt wieder aufs Tapet?«
»Und was hat es mit dem Tod von David und Janice auf sich?« fragte Marsha mit schneidender Stimme, seine Frage übergehend. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, es dir zu erzählen, aber ich war heute bei den Fays. Sie sagten mir, Janice sei überzeugt gewesen, daß VJ etwas mit Davids Tod zu tun hatte. Sie sagte ihnen, er sei >böse<.«
»Wir haben uns diesen Schwachsinn oft genug anhören müssen vor ihrem Tod«, erwiderte Victor. »Sie war in einen religiösen Wahn verfallen. Das hast du selbst gesagt.«
»Der Besuch bei ihren Eltern hat mich unsicher gemacht, und ich habe mir die Ereignisse von damals noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Janice war überzeugt, daß David unter Drogen gesetzt und vergiftet worden war.«
»Marsha!« brüllte Victor sie an. Er packte sie bei den Schultern. »Komm zu dir! Du redest Blödsinn! David starb an Leberkrebs, erinnerst du dich? Janice wurde ein bißchen verrückt, bevor sie starb. Erinnerst du dich auch daran noch? Sie kriegte eine Art Verfolgungswahn, zusätzlich zu ihren anderen Problemen. Hatte wahrscheinlich eine Hirnmetastase, das arme Ding. Abgesehen davon kriegt man keinen Leberkrebs, weil man vergiftet wird.« Aber noch während er das sagte, keimten plötzlich auch in ihm Zweifel auf. Er erinnerte sich wieder an das merkwürdige DNS-Segment, das er sowohl in Davids als auch in Janices Tumorzellen gefunden hatte. »Und was den Tod dieser Kinder angeht«, fuhr Victor fort und setzte sich ihr gegenüber. »Ich bin ganz sicher, daß er irgend etwas mit der internen Politik von Chimera zu tun hatte. Irgend jemand hat Wind von dem NGF-Experiment gekriegt und will mich diskreditieren. Deshalb wollte ich, daß jemand auf VJ aufpaßt.«
»Wann hast du diesen Entschluß gefaßt?« fragte Marsha.
Victor zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht mehr so genau«, antwortete er. »Irgendwann diese Woche.«
»Das heißt doch, daß auch du inzwischen glaubst, daß es sich in Wirklichkeit um Mordfälle handelt; daß irgend jemand diese Kinder in voller Absicht umgebracht hat«, sagte Marsha mit neu aufkeimender Angst.
Victor hatte vergessen, daß er ihr die Information bezüglich des Cephaloclors bewußt vorenthalten hatte. Er schluckte.
»Victor!« rief Marsha empört. »Was hast du mir verschwiegen?«
Victor trank etwas, um einen Moment Zeit zu gewinnen. Er versuchte angestrengt, sich irgendeine Ausrede aus den Fingern zu saugen, um die Wahrheit zu vertuschen, aber ihm fiel auf die schnelle nichts ein. Die Enthüllungen des Tages hatten ihn sorglos gemacht. Er seufzte einmal tief,
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