Das Ungeheuer
und dann erzählte er ihr von dem Cephaloclor im Blut der Kinder.
»Mein Gott!« stieß Marsha tonlos hervor. »Bist du sicher, daß es jemand von Chimera war, der den Kindern das Cephaloclor gegeben hat?«
»Absolut«, sagte Victor. »Der einzige Ort, wo sich die Wege der Kinder kreuzten, war die Kindertagesstätte von Chimera. Dort muß ihnen das Cephaloclor eingegeben worden sein.«
»Aber wer würde so etwas Schreckliches machen?« fragte Marsha. Sie wollte die Gewißheit haben, daß VJ nichts damit zu tun haben konnte.
»Es muß entweder Hurst oder Ronald gewesen sein. Wenn ich einen Tip abgeben müßte, würde ich auf Hurst tippen. Aber solange ich keine Beweise habe, kann ich nichts weiter tun, als VJ bewachen zu lassen, um sicherzugehen, daß niemand versucht, ihm Cephaloclor zu geben.«
In dem Moment ging die Hintertür auf, und VJ, Philip und Pedro Gonzales kamen herein. Marsha blieb sitzen, aber Victor sprang auf. »Hallo, ihr drei!« rief er, bemüht, seiner Stimme einen heiteren Klang zu verleihen. Er schickte sich an, Pedro und Marsha miteinander bekannt zu machen, aber sie unterbrach ihn und erklärte, sie hätten sich bereits am Morgen kennengelernt.
»Das ist gut«, sagte Victor und rieb sich verlegen die Hände. Er wußte offensichtlich nicht, was er tun sollte.
Marsha schaute VJ an. VJ starrte mit seinen durchdringenden blauen Augen zurück. Sie mußte den Blick abwenden. Es war ein schreckliches Gefühl für sie, die Gedanken zu hegen, die sie hegte, besonders seit ihr bewußt geworden war, daß sie Angst vor ihm hatte.
»Warum schwimmt ihr nicht eine Runde im Pool?« schlug Victor VJ und Philip vor.
»Keine schlechte Idee«, sagte VJ. Er und Philip gingen die Hintertreppe hinauf.
»Sie kommen morgen früh wieder?« fragte Victor Pedro.
Pedro nickte. »Punkt sechs. Ich werde draußen im Wagen sitzen.«
Victor brachte den Mann zur Tür und kam zurück in die Küche.
»Ich werde mich jetzt mal mit VJ unterhalten«, kündigte Victor an. »Ich werde ihn direkt auf die Sache mit der Intelligenz ansprechen. Vielleicht gibt es eine ganz einfache Erklärung, und du fühlst dich wieder besser.«
»Ich glaube, ich weiß schon, was er sagen wird«, erwiderte Marsha. »Aber bitte - wenn du meinst, daß es was bringt...«
Victor ging nach oben. VJ sah seinen Vater erwartungsvoll an, als er sein Zimmer betrat. Victor wurde bewußt, welche Ehrfurcht er vor seiner eigenen Schöpfung empfand. Der Junge war schön, und er hatte einen Verstand, der geradezu grenzenlos sein müßte. Victor wußte nicht, ob er neidisch oder stolz sein sollte.
»Mutter ist nicht so begeistert von dem Labor wie du«, sagte VJ. »Das habe ich sofort gemerkt.«
»Es war alles ein bißchen viel für sie auf einmal; sie war regelrecht überwältigt«, erklärte Victor.
»Ich wünschte, ich hätte mich nicht darauf eingelassen, es ihr zu zeigen«, sagte VJ.
»Keine Sorge«, versicherte Victor. »Ich kümmere mich schon um sie. Aber da gibt es etwas, das sie seit Jahren beunruhigt. Hast du deinen Intelligenzverlust damals mit dreieinhalb eigentlich vorgetäuscht, oder war er echt?«
»Natürlich hab' ich ihn vorgetäuscht«, sagte VJ, während er sich seinen Bademantel überwarf. »Mir blieb doch gar nichts anderes übrig. Wenn ich das nicht gemacht hätte, dann hätte ich niemals so arbeiten können, wie ich es getan habe. Ich brauchte Anonymität, und die konnte ich als superintelligentes Wunderkind nicht haben. Ich wollte ganz normal behandelt werden, und damit das der Fall war, mußte ich ganz normal erscheinen. Oder zumindest fast normal.«
»Und du glaubtest nicht, daß du mit mir darüber hättest reden können?« fragte Victor.
»Machst du Witze? Du und Mom habt doch ständig mit mir angegeben. Ihr wärt nie im Leben bereit gewesen, zuzulassen, daß ich mich ausklinke.«
»Da hast du wahrscheinlich recht«, gab Victor zu. »Eine Zeitlang waren deine Fähigkeiten der Mittelpunkt unseres Lebens.«
»Kommst du mit schwimmen?« fragte VJ mit einem Lächeln. »Ich laß dich auch gewinnen.«
Victor mußte wider seinen Willen lachen. »Danke, aber ich gehe besser runter und rede mit Marsha. Ich muß sie ein bißchen beruhigen. Amüsiert ihr euch schön!« Victor ging zur Tür. Auf der Schwelle hielt er inne und wandte sich noch einmal um. »Morgen würde ich gern die Einzelheiten über das Implantationsprojekt erfahren.«
»Ich brenne schon darauf, es dir zu zeigen«, sagte VJ.
Victor nickte, lächelte und verließ
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