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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Implantationstechnologie war eine Sache, aber das hier war eine gänzlich andere Sache. Victor erschauderte, als ihm das teuflische Potential bewußt wurde, das in dem steckte, was seine Kreatur geschaffen hatte. Marsha näherte sich zögernd einem der Tanks und betrachtete das Kind, einen Jungen, aus nächster Nähe. Der Junge erwiderte den Blick und schaute sie an, als wolle er sagen: Bleib bei mir! Er preßte seine winzige Hand gegen das Glas des Tanks. Marsha streckte ihre Hand aus und legte sie auf die des Kindes, so daß nur die Dicke der Glaswand sie trennte. Doch dann, plötzlich, zuckte ihre Hand zurück, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen. »Ihre Köpfe!« schrie sie.
    Victor kam zu ihr und beugte sich zu dem Kind. »Was ist mit seinem Kopf?«
    »Schau dir die Augenbrauen der Kinder an! Sie haben praktisch keine Stirn!«
    »Es sind Mutationen«, erklärte VJ beiläufig. »Ich habe das Segment, das Victor hinzugefügt hat, wieder entfernt, und dann habe ich einige der normalen NGF-Loci zerstört. Mein Ziel ist ein Intelligenzlevel ähnlich dem von Philip. Philip hat mir beim Aufbau des Labors mehr geholfen als jeder andere.«
    Marsha erschauerte und ergriff Victors Hand. Victor ignorierte sie und deutete auf die Tür am Ende des Raums. »Was ist hinter dieser Tür?«
    »Hast du noch nicht genug gesehen?« fragte VJ.
    »Ich will alles sehen«, sagte Victor. Er ließ Marsha stehen und ging zu der Tür am Ende des Raums. Einen Moment lang starrte Marsha mit fasziniertem Entsetzen den winzigen Jungen in dem Tank mit seinen wulstigen Brauen und seiner fliehenden Stirn an. Es war, als wäre die menschliche Evolution um fünfhunderttausend Jahre zurückgedreht worden. Wie konnte jemand seine eigenen Brüder und Schwestern - denn das waren diese armseligen Kreaturen - mit vollem Bedacht zu Neandertalern machen? Die eiskalte, geradezu machiavellistische Rationalität, mit der VJ seine Experimente erläuterte, ließ sie frösteln.
    Marsha riß sich von dem Anblick los und folgte Victor. Auch sie wollte jetzt alles sehen. Konnte es noch Schlimmeres geben als das, was sie gerade gesehen hatte? Der nächste Raum enthielt riesige Edelstahlbehälter, die in einer Reihe aufgestellt waren. Sie erinnerten Marsha an die riesigen Kessel, die sie als Teenager bei einer Brauereibesichtigung mit ihrer Schulklasse gesehen hatte. Die Luft hier war wärmer und feuchter als in dem Raum mit den Glastanks. Mehrere Männer arbeiteten mit nackten Oberkörpern an einem der Fässer; sie schütteten gerade etwas hinein. Als sie Marsha und Victor gewahrten, hielten sie inne.
    »Was sind das für Tanks?« fragte Marsha.
    Diesmal antwortete Victor. »Das sind Gärbottiche zum Züchten von Mikroorganismen wie Bakterien oder Hefen.« Er wandte sich an VJ. »Was züchtest du darin?«
    »E.-Kolibakterien«, antwortete VJ. »Das Arbeitspferd der rekombinanten DNS-Technologie.«
    »Was produzieren sie?« frage Victor.
    »Das möchte ich lieber nicht sagen«, antwortete VJ. »Findest du nicht, daß die Gestationstanks erst mal genug zum Verdauen sind?«
    »Ich will alles wissen«, wiederholte Victor. »Ich will, daß du alle Karten auf den Tisch legst.«
    »Nun, wenn du's denn unbedingt wissen mußt: Sie produzieren Geld«, sagte VJ mit einem Lächeln.
    »Ich bin nicht in Stimmung für Rätsel«, erwiderte Victor.
    VJ seufzte. »Ich brauchte kurzfristig eine größere Kapitalspritze für das neue Labor. Aus verständlichen Gründen kam ein Gang an die Börse nicht in Frage. Statt dessen importierte ich ein paar Kokapflanzen aus Südamerika und extrahierte die entsprechenden Gene. Diese Gene setzte ich in ein Lack-Operon von E.-Kolibakterien ein, und mit Hilfe eines Plasmids, das resistent gegen Tetracyclin war, setzte ich das ganze Ding zurück in die Bakterien. Das Produkt ist vorzüglich. Sogar die E.-Kolibakterien lieben es.«
    »Was sagt er?« fragte Marsha Victor.
    »Er sagt, daß diese Gärbottiche Kokain produzieren.«
    »Das also ist die Erklärung für Martinez Enterprises!« stieß Marsha entsetzt hervor.
    »Aber diese Produktionsanlage ist nicht von Dauer«, versuchte VJ sie zu beschwichtigen. »Sie dient lediglich dem Zweck, kurzfristig Kapital zu beschaffen. Schon bald wird das neue Labor sich selbst tragen, und dann besteht keine Notwendigkeit mehr für diese - nun ja, zugegeben etwas illegale - Kapitalbeschaffungsmethode. Und ja, richtig, Martinez Enterprises ist ein vorübergehender Geschäftspartner. Wir können im

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