Das Ungeheuer
ging als letzter hinein und schloß die Tür hinter sich.
Der Raum war etwa zwanzig Meter lang und ziemlich schmal. Auf einem langen Tisch aus groben Brettern standen vier große Fünfzig-Gallonen-Glastanks. Die Seiten waren mit Silicon versiegelt. Die Tanks wurden beleuchtet von Heizungslampen; ihr Licht brach sich in der Flüssigkeit, mit denen die Glastanks gefüllt waren, und erzeugte dadurch diesen geisterhaft anmutenden blauen Schein, der den ganzen Raum erfüllte.
Marsha sperrte vor Entsetzen den Mund auf, als sie erkannte, was in den Tanks war. In ihnen schwammen, eingehüllt in transparente Membranen, Embryos, jeder von ihnen ungefähr acht Monate alt. Sie schauten Marsha aus weit geöffneten blauen Augen an, als sie an den Tanks vorbeiging. Sie gestikulierten, lächelten, ja gähnten sogar.
Unterdessen erläuterte VJ wie beiläufig, aber mit einer Miene arroganten Stolzes, wie das System arbeitete. In jedem Tank waren die Plazenten auf einem Plexiglasgitter an einer Membranhülle befestigt, die mit einer Art Herz-Lungen-Maschine verbunden war. Jede Maschine hatte ihren eigenen Computer, welcher wiederum an einen Protein-Synthetisierer angeschlossen war. Die Flüssigkeitsoberfläche jedes Tanks war mit Plastikbällen vor zu rascher Verdunstung geschützt.
Weder Marsha noch Victor konnten etwas sagen, so schockiert waren sie von dem Anblick der gestikulierenden Kinder. Obwohl sie versucht hatten, sich auf das Schlimmste gefaßt zu machen, überstieg dieser Anblick ihre schrecklichsten Befürchtungen bei weitem.
»Ihr werdet euch bestimmt fragen, wozu das alles gut ist«, sagte VJ, während er zu einem der Tanks ging und eine der zahlreichen Anzeigen kontrollierte. Er schlug mit der Faust darauf, und eine offenbar klemmende Anzeigenadel sprang in den grün gestrichelten Normalbereich. »Bei meinen früheren Implantationsexperimenten kam ich darauf, Gebärmütter mit Gewebekulturen nachzumodellieren. Die Lösung des Implantationsproblems brachte gleichzeitig die Lösung des Problems mit sich, wieso überhaupt ein Uterus gebraucht wurde.«
»Wie alt sind diese Kinder?« fragte Marsha.
»Achteinhalb Monate«, antwortete VJ, Marshas Schätzung bestätigend. »Ich lasse sie erheblich länger im Uterus als die üblichen neun Monate. Sie werden leichter aufzuziehen sein, je länger ich sie in den Tanks lasse.«
»Wo hattest du die Zygoten her?« fragte Victor, obwohl er die Antwort schon wußte.
»Es freut mich, euch sagen zu können, daß diese Kinder allesamt meine Brüder und Schwestern sind.«
Marshas ungläubiger Blick schwenkte von den Föten in den Tanks zu VJ.
VJ mußte lachen, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Komm, das kann doch keine so große Überraschung sein! Ich habe mir die Zygoten aus dem Gefrierschrank in Vaters Labor geholt. Was für einen Sinn hätte es gehabt, sie dort vergammeln zu lassen oder zu warten, bis Dad sie in irgendwelche fremden Leute implantiert?«
»Es waren fünf«, sagte Victor. »Wo ist die fünfte?«
»Gutes Gedächtnis«, erwiderte VJ. »Leider ist die fünfte bei einem meiner ersten Tests in der Implantationsversuchsreihe verlorengegangen. Aber vier sind ausreichend für eine statistische Extrapolation, zumindest für den ersten Schub.«
Marsha wandte sich wieder den Embryos zu. Es waren ihre Kinder!
»Wollen wir die Sache doch nicht sensationeller machen, als sie ist!« sagte VJ, an seinen Vater gewandt. »Du wußtest, daß diese Technologie in der Entwicklung war. Ich habe die Geschichte lediglich ein wenig beschleunigt.«
Victor ging zu einem der Computer, der in diesem Moment zum Leben erwacht war und eine halbe Seite Daten ausspuckte. Sobald er mit dem Ausdrucken fertig war, sprang der Protein-Synthetisierer an und begann ein Protein herzustellen.
»Das System registriert automatisch, wenn Bedarf nach irgendeiner Art von Wachstumsfaktor besteht«, erklärte VJ.
Victor sah sich den Computerausdruck an. Er enthielt die Daten über sämtliche lebenswichtigen metabolischen Prozesse des Fötus, einschließlich Blutbild und Leberwerte. Er war verblüfft über die ausgefeilte Kompliziertheit der Versuchsanlage. Victor wußte, daß VJ das ungeheuer komplizierte Zusammenspiel der Faktoren, die notwendig waren, um aus einem befruchteten Ei einen vollständigen Organismus zu machen, künstlich kopieren mußte. Was er da geschaffen hatte, stellte einen gewaltigen Sprung nach vorn auf dem Gebiet der Biotechnologie dar. Eine radikal neue und erfolgreiche
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