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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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hatte sich fast geschlossen, als er sich zu ihr hineinzwängte. Sie wich vor ihm zurück, verletzt, angewidert, wütend. Aber vor allem besorgt. Sie wollte nach Hause, zu VJ.
    Schweigend verließen sie das Gebäude. Victor war klug genug, keine weiteren Gesprächsversuche zu unternehmen. Der Schnee blieb jetzt liegen, und sie mußten vorsichtig gehen, um nicht auszurutschen. Marsha war sich bewußt, daß Victor sie aufmerksam beobachtete, als sie in den Wagen stiegen. Trotzdem schwieg sie weiterhin. Erst als sie den Merrimack überquert hatten, sprach sie endlich.
    »Ich dachte, Experimente mit menschlichen Embryonen sind verboten.« Sie wußte, Victors eigentliches Verbrechen war ein moralisches, aber einstweilen konnte sie der vollständigen Wahrheit nicht ins Auge sehen.
    »Die Richtlinien waren da nie ganz klar«, sagte Victor, froh, sich nicht mit dem ethischen Aspekt befassen zu müssen. »Im Bundesregister wurde eine Notiz veröffentlicht, in der solche Experimente untersagt wurden, aber das bezog sich nur auf Institutionen, die mit Bundesmitteln finanziert wurden. Private Institute wie Chimera betraf es nicht.« Victor ging nicht weiter darauf ein. Er wußte, daß es für seine Taten keine Verteidigung gab. Schweigend fuhren sie weiter, bis er erklärte: »Ich habe es dir nur deshalb nicht schon vor Jahren gesagt, weil ich nicht wollte, daß du VJ anders behandelst.«
    Marsha blickte zu ihrem Mann hinüber und sah das Flackerspiel der Scheinwerfer von den entgegenkommenden Autos in seinem Gesicht. »Du hast es mir nicht gesagt, weil du genau wußtest, was für eine schreckliche Sache es ist«, stellte sie gleichmütig fest.
    Als sie in die Windsor Street einbogen, meinte er: »Vielleicht hast du recht. Wahrscheinlich habe ich wirklich ein schlechtes Gewissen gehabt. Bevor VJ zur Welt kam, dachte ich, ich stehe kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Nach dem Absturz seiner Intelligenz war ich erneut reif für die Anstalt. Erst in den letzten fünf Jahren habe ich mich allmählich entspannen können.«
    »Warum hast du dann diese Zygoten wieder verwendet?« fragte Marsha.
    »Weil das Experiment inzwischen anscheinend höchst erfolgreich war«, sagte Victor. »Und auch, weil die Familien, die in Frage kamen, für ein exzeptionelles Kind einzigartig qualifiziert waren. Aber ich hätte es nicht tun sollen. Das weiß ich inzwischen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Mein Gott, ja!« Als sie in die Zufahrt einbogen, hatte Marsha zum erstenmal, seit er ihr die Ratten gezeigt hatte, das Gefühl, sie könne eines Tages in der Lage sein, ihm zu verzeihen. Wenn mit VJ tatsächlich alles in Ordnung, wenn ihre Sorge um seine Entwicklung unbegründet wäre, dann vielleicht würden sie wieder als Familie zusammenleben können. Marsha schloß die Augen und betete. Ein Kind hatte sie schon verloren, und sie bat Gott, das andere zu verschonen. Sie glaubte nicht, daß sie einen weiteren derartigen Verlust würde ertragen können.
    Bei VJ brannte noch Licht. Jeden Abend war er dort oben, las, studierte. So hochfahrend er auch erscheinen mochte, im Grunde war er doch ein guter Junge.
    Per Knopfdruck öffnete Victor das Garagentor. Kaum hatte der Wagen angehalten, sprang Marsha hinaus; sie mußte sich sofort vergewissern, daß mit VJ alles in Ordnung war. Ohne auf Victor zu warten, schloß sie mit ihrem eigenen Schlüssel die Tür zur hinteren Diele auf. Aber als sie dagegendrückte, gab die Tür nicht nach. Victor kam und versuchte es selbst.
    »Der Riegel ist vorgeschoben«, stellte er fest.
    »Das muß VJ getan haben, als wir weg waren«, meinte Marsha. Sie hob die Faust und hämmerte gegen die Tür. Es hallte laut durch die Garage, aber von VJ kam keine Antwort. »Glaubst du, er ist okay?« fragte sie.
    »Bestimmt«, sagte Victor. »Er kann dich hier draußen unmöglich klopfen hören, wenn er nicht unten im Wohnzimmer ist. Komm, wir gehen nach vorne!«
    Victor ging voraus, durch die Garage und ums Haus herum. Er schob seinen Schlüssel ins Schloß, aber auch diese Tür war verriegelt. Er läutete. Immer noch keine Antwort. Er läutete noch einmal, und allmählich spürte auch er ein wenig von Marshas Bangigkeit. Gerade als sie es an der Seitentür versuchen wollten, hörten sie VJs klare Stimme: Wer dort sei? Kaum hatte sich die Haustür geöffnet, streckte Marsha die Arme nach dem Jungen aus, doch er entzog sich ihrem Griff. »Wo seid ihr gewesen?« wollte er wissen.
    Victor sah auf die Uhr. Viertel vor zehn. Rund anderthalb Stunden

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