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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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stationärer Aufenthalt nicht unbedingt vonnöten war, wurde direkt in den unteren Ebenen geregelt. Er konnte daher nur raten, wohin er sich wenden sollte.
    Schließlich zwang er seine Zweifel nieder und lugte vorsichtig durch den Spalt, den er die Türe geöffnet hatte. Am Gang war nur die nächtliche Notbeleuchtung aktiviert – kalte, blaue Lampen, die in großen Abständen brannten und dazwischen mehr Schatten als Licht warfen.
    Ungesehen – soweit er es beurteilen konnte – huschte er von einem Schatten in den nächsten, presste sich in die unzähligen Türrahmen und versuchte, den Kameras so gut es ging auszuweichen. Er musste es nur nach draußen schaffen, dann konnten sie ihm nichts von dem mehr anlasten, was er tun musste. Aber bis dahin durfte er keinen weiteren Schaden anrichten.
    Bis zu den Aufzügen kam er unbemerkt. Er betätigte gerade die Taste, um die Fahrkabine zu rufen, als er hinter sich das müde Plaudern zweier Schwestern hörte. Haron verkroch sich hinter einem Wagen, auf dem Getränke und leichte Medikamente bereitstanden, und zog die Decke eng um sich, um mehr wie ein Stoffbündel und weniger wie ein Mensch zu wirken.
    Die zwei Frauen, die vom Altersunterschied her beinahe Mutter und Tochter hätten sein können, passierten ihn, ohne auch nur einen Blick in seine Richtung zu werfen, und bogen in den Quergang ein. Haron wollte sich bereits wieder aufrichten, da traf mit einem sanften „Bling“ der Fahrstuhl ein und öffnete seine Türen.
    Die Schwestern blieben in dem Lichtkeil stehen, den die leere Kabine auf den Boden warf. Stumm verfluchte Haron die Nachtbeleuchtung, die den Kontrast nochmals betonte. Und auch gleich die gesamte Welt, wo er doch schon dabei war.
    Die jüngere der beiden tat einen Schritt in die Kabine und sah sich dort um, als hätte in dem quadratmetergroßen Lift auch nur der kleinste Winkel uneingesehen bleiben können. Nach endlosen Sekunden schien sie sich überzeugt zu haben, dass sich nichts in der Kabine befand.
    „Wahrscheinlich nur wieder die Jungs aus dem Zweiundvierzigsten“, kommentierte sie achselzuckend, als sie wieder herauskam. Über die kindischen Streiche der Pfleger und unheimliche Begegnungen tuschelnd, setzten die beiden endlich ihren Weg fort.
    Haron harrte aus, bis die Schwestern im nächsten Gang verschwunden waren, dann stürzte er wieder zum Aufzug. Zu seiner Erleichterung war dieser in der Zwischenzeit nicht wieder fortgerufen worden. Er huschte in die Ecke, über der sich die Kamera befand, und hoffte, dadurch nicht allzu sehr gesehen zu werden.
    Die Fahrt hinunter dauerte eine Ewigkeit, obwohl dabei laut Anzeige nur siebenundzwanzig Stockwerke zurückgelegt wurden. Aber auch sie fand schließlich ein Ende. Die Türen öffneten sich und stießen Haron in die blendende Helligkeit einer erleuchteten Eingangshalle, in der es vor Personal nur so wimmelte. Mehrere Pfleger und Schwestern wurden auf den in eine Decke gehüllten, blassen Mann aufmerksam, der aus dem Aufzug trat.
    „Hey!“, rief derjenige, der Haron am nächsten stand, und trottete auf ihn zu.
    Haron warf die Decke zu Boden und sprintete los, direkt auf die grün gekennzeichneten Ausgangstüren zu. Hinter sich hörte er den Pfleger fluchen und sein Tempo steigern. Aber im Gegensatz zu ihm war Haron zwar geschwächt, aber sein Lebtag lang auf harte körperliche Arbeit angewiesen gewesen. Diese verschaffte ihm eine Kondition, von der der Pfleger nur träumen konnte.
    Er raste wie von Sinnen durch die Halle und streckte bereits im Laufen die Arme aus, um die Glastür ins Freie aufzustoßen. Dabei vergaß er allerdings seinen Stumpf, der frontal gegen das Glas prallte. Haron brüllte vor Schmerz, hielt jedoch nicht inne, sondern flüchtete in die Nacht hinaus.
    Das Personal hatte bereits nach einem Block die Verfolgung aufgegeben, er aber rannte, bis seine brennenden Lungen sich weigerten, weiter Sauerstoff an ihn zu verschwenden, und der Schwindel ihn an die nächste Hauswand warf. Erst als er die Augen wieder öffnen konnte, sah er die Blutspur, die die aufgeplatzte Naht seines Handgelenks auf der Straße hinterlassen hatte.
     
    Haron hatte, so gut es ging, den Verband neu gewickelt, um mehr Druck auf die Wunde zu erzeugen. Mit nur einer Hand war die Prozedur jedoch mühsam und das Ergebnis kaum besser als die Ausgangsituation. Die Anstrengung seiner Flucht war zusammen mit dem hohen Blutverlust zu viel für seinen geschwächten Körper.
    Er kämpfte immer noch gegen die Schwärze

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